Frankreich forciert Generation IV
Frankreich will seine starke Stellung in der Nukleartechnologie auch in Zukunft bewahren und bis ins Jahr 2020 einen Prototyp der vierten Reaktorgeneration in Betrieb nehmen. Dies hat Staatspräsident Jacques Chirac am 5. Januar 2006 vor Industrievertretern in Paris angekündigt.
Wie das mit der Durchführung der Konzeptstudien beauftragte Commissariat à l'énergie atomique (CEA) mitteilte, finden die französischen Entwicklungsarbeiten im Rahmen des «Generation IV International Forum» (GIF) statt, an dem auch die Schweiz beteiligt ist. Ziel des GIF ist es, für die Zeit nach 2040 grundlegend neue Reaktoren und Brennstoffkreisläufe zu entwickeln, die den Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren, die Menge des radioaktiven Abfalls erheblich vermindern und proliferations-resistenter sind.
Erste Priorität für Schnelle Brüter
Von den sechs im Rahmen des GIF ausgewählten Reaktorsystemen will sich das CEA nach eigenen Angaben auf drei Entwicklungslinien konzentrieren. Erste Priorität haben die Systeme mit schnellen Neutronen, namentlich der natriumgekühlte schnelle Reaktor (SFR - Sodium-Cooled Fast Reactor) und der gasgekühlte schnelle Reaktor (GFR - Gas-Cooled Fast Reactor). Beim SFR sollen die aus dem Bau und Betrieb der natriumgekühlten Schnellen Brüter Phénix und Superphénix gewonnenen Erfahrungen genutzt und die noch vorhandenen technischen Schwierigkeiten überwunden werden. Beim GFR steht die Entwicklung der grundlegenden Schlüsseltechnologien für dieses neue Reaktorsystem im Vordergrund, in Zusammenarbeit mit den europäischen, amerikanischen und japanischen Partnern. Der SFR und der GFR sollen vorderhand parallel untersucht und das Potenzial aus den entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der übrigen GIF-Mitglieder genutzt werden. Vorschläge zur Wahl der Brütertechnologie für die zweite Erneuerungsetappe des französischen Kernkraftwerksparks will das CEA erst gegen 2015 machen.
Zur französischen Strategie im Bereich der schnellen Neutronen gehört zudem das Schliessen des Brennstoffkreislaufs mit dem dreifachen Ziel, den Kernbrennstoff durch fortgesetztes Rezyklieren möglichst vollständig auszunutzen, die Menge der langlebigen radioaktiven Abfälle durch Transmutation drastisch zu verkleinern und die Proliferation zu erschweren.
Zweite Priorität für Ultrahochtemperatur-Reaktor
Als dritte Reaktorlinie und in zweiter Priorität will das CEA den heliumgekühlten Ultrahochtemperatur-Reaktor (VHTR - Very-High-Temperature Reactor) mit thermischem Neutronenspektrum untersuchen. Diese Reaktortechnologie eignet sich neben der Stromerzeugung mit hohem Wirkungsgrad besonders auch für die Produktion von Wasserstoff und bildet die Grundlage eines intensiven Forschungsprogramms der USA wie auch des Entwicklungsprogramms Antares von Areva. Zudem ergeben sich technische Berührungspunkte mit der GFR-Technologie.
Entscheid über Entsorgungsgesetz im Sommer 2006
In seiner Rede bestätigte Chirac zudem, dass das französische Parlament vor Ende Sommer 2006 über das Gesetz zur Entsorgung der hochaktiven und langlebigen Abfälle entscheiden wird. Weiter kündigte er an, dass die Aufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire (ASN) ein von anderen Verwaltungsstellen wirksamer getrenntes Statut erhalten soll, um ihre völlige Unabhängigkeit zu gewährleisten, ähnlich wie dies in der Schweiz der Bundesrat für die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) vorschlägt. Abschliessend warb Chirac für eine ehrgeizige europäische Energiepolitik und erklärte, dass Frankreich am nächsten Treffen des Europäischen Rats ein entsprechendes Memorandum unterbreiten werde.
Source
M.S. nach Redetext Chirac und Medienmitteilung CEA, 5. Januar 2006
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