Deutscher Energiegipfel und die Erwartungen der Unternehmer

Als Startschuss für ein nationales energiepolitisches Gesamtkonzept bis zum Jahr 2020 eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel am 3. April 2006 in Berlin ein Spitzengespräch über Energie.

2 avr. 2006
Energiegipfel im Bundeskanzleramt: Bundeskanzlerin Merkel mit ihren Ministern Glos (rechts) und Gabriel (links).
Energiegipfel im Bundeskanzleramt: Bundeskanzlerin Merkel mit ihren Ministern Glos (rechts) und Gabriel (links).
Source: RegierungOnline / Bergmann

Neben den Bundesministern Michael Glos (Wirtschaft), Sigmar Gabriel (Umwelt) und Anette Schavan (Bildung und Forschung) nahmen Vertreter der Energiewirtschaft, der industriellen und privaten Stromverbraucher, der erneuerbaren Energien, der Gewerkschaften, der Forschung sowie des Umweltschutzes daran teil. Zentrale Themen waren die Versorgungssicherheit, die Investitionen im Stromsektor, wettbewerbsfähige Preise, die Effizienz sowie die Energieforschung. Das Thema Kernenergie blieb im Hintergrund, beschäftigte indessen alle und besonders die Kommentatoren.

Energieversorgung bleibt zentrales Thema

Einig waren sich die Teilnehmer des Energiegipfels, dass die zunehmende Importabhängigkeit, steigende Preise und der drohende Klimawandel die Energiepolitik Deutschland vor grosse Herausforderungen stellt. Auch versicherten sich die Regierung und die Wirtschaft gegenseitig, diese Herausforderungen gemeinsam angehen zu wollen sowie darüber hinaus eine engere europäische und internationale Zusammenarbeit zu suchen. Ein einvernehmliches Energiekonzept plant die Bundesregierung, in der zweiten Hälfte 2007 der Öffentlichkeit vorzulegen. Die Elemente dafür will sie gemeinsam mit den Gipfelteilnehmern und weiteren Experten erarbeiten. Vereinbart wurde ein nächstes Treffen im Herbst 2006. Bis dahin sollen drei Arbeitsgruppen «zentrale Fragen der Energiepolitik voranbringen».

Erste konkrete Ergebnisse

Am Gipfel kündigte die Stromwirtschaft Investitionen von über EUR 30 Mrd. in neue Kraftwerke und Verteilnetze bis 2012 an. Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe wurden ebenfalls für den Bereich der Stromversorgung durch erneuerbare Energien vermeldet. Zudem sicherte die Bundesregierung zu, die Forschungsmittel für Energieinnovationen bis 2009 um mehr als 30% auf EUR 2 Mrd. aufzustocken.
Wie dem bereits vor dem Energiegipfel vorgelegten Statusbericht «Energieversorgung für Deutschland» des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWI) zu entnehmen ist, plant die Stromwirtschaft, bis 2012 neue fossil befeuerte Kraftwerke von zusammen 20'000 MW in Betrieb zu nehmen. Hinzu kommen laut Bericht bis 2012 weitere 13'000-19'000 MW Stromerzeugungskapazität durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese würden freilich nur zum kleineren Teil den Grundlastbedarf decken. Im gleichen Zeitraum werden gemäss dem geltenden Atomgesetz rund 7500 MW nukleare Kraftwerksleistung vom Netz gehen. Auch seien zusätzlich veraltete fossile Produktionseinheiten zu ersetzen. Da das BMU nicht mit einem Verbrauchsanstieg rechnet, werde es in Deutschland dennoch nicht zu einer Deckungslücke kommen. Dank dem Zubau der Erneuerbaren werde Deutschland künftig deutlieh weniger von Energieimporten abhängen. Glos teilte diese Meinung am Energiegipfel allerdings nicht in allen Teilen. Namentlich sprach er von wachsender Nachfrage und stärkerer Auslandabhängigkeit.
Einig waren die Teilnehmer hingegen in der Feststellung, es sei mit weiter steigenden Preisen zu rechnen. Am Gipfel unbestritten war auch, dass der Ersatz von Kernkraftwerken durch fossile Einheiten in der Grundlast die Treibhausgasbilanz Deutschlands merklich belasten werde. Zur Kompensation will die Bundesregierung den Emissionshandel ökologisch und ökonomisch effizienter gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit der Energie verbrauchenden Wirtschaft besonders berücksichtigen. Namentlich plant sie, für die stromintensiven Unternehmen den Abgabesatz gemäss Energieeinspeisegesetz kurzfristig auf 0,05 Cent/kWh zu senken und mehr Markttransparenz schaffen.

Nuklearfrage blockiert

Nicht überraschend vertraten die Gipfelteilnehmer zur künftigen Bedeutung der Kernenergie im deutschen Energiemix gegensätzliche Positionen, von denen sie in der Öffentlichkeit nicht abrücken wollten. Der Bundesregierung bleibt im Rahmen des Koalitionsvertrags in der Nuklearfrage ohnehin wenig Gestaltungsraum. Eine Lösung zur sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle strebt sie noch in der laufenden Legislatur an. Die Aussage, «in welchem Umfang geeignete Ersatzkapazitäten für nach dem Atomgesetz stillzulegende Kernkraftwerke verfügbar sind», plant sie, erst im Rahmen des für 2007 angekündigten energiepolitischen Gesamtkonzepts zu treffen.

Unternehmer verlangen Energiemix, Wettbewerb ... und längere Laufzeiten

Die deutschen Unternehmer sind sich einig: Europa muss in der Energiepolitik stärker zusammenarbeiten, die EU-Kommission mehr Kompetenzen - besonders in strategischen Fragen - erhalten und die Bundesregierung die Bedingungen für mehr Versorgungssicherheit sowie bezahlbare Energiepreise verbessern. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im Hinblick auf den Energiegipfel durchgeführten Umfrage unter seinen Mitgliedern. In der Umfrage kam die bisherige Energiepolitik der Bundesregierung schlecht weg. Über drei Viertel fanden, auf dem Gas- und Strommarkt herrsche zu wenig Wettbewerb und die staatliche Belastung bei den Energiepreisen sei zu hoch. Den Ausstieg aus der Kernenergie hielten 71% für ungerechtfertigt und nur 11% für gerechtfertigt. Entsprechend stuften über drei Viertel der Unternehmer eine Verlängerung der Laufzeit für die Kernkraftwerke in der künftigen deutschen Energiepolitik als wichtig oder sogar sehr wichtig ein.

Source

P.B. nach DIHK, Pressemitteilung, 28. März, und Chef von Dienst Energie des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, Pressemitteilung, 3. April 2006

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