Weniger radioaktive Abfälle aus der Mo-99-Herstellung dank neuem Verfahren
Die Produktionskette zur Herstellung des Radioisotops Technetium-99m (Tc-99m) – via Molybdän-99 (Mo-99) als Zwischenschritt – wurde von hoch angereichertem Uran (HEU) auf schwach angereichertes Uran (LEU) umgestellt. Als Folge davon fallen in einem bestimmten Produktionsschritt viel mehr wässrige mittelaktive Abfälle an. Die Technische Universität München (TUM) hat daher ein neues Verfahren entwickelt, das ein bisheriges nasschemisches Verfahren ersetzt. So fallen im betreffenden Produktionsschritt keine wässrigen radioaktiven Abfälle mehr an.
Die in der Nuklearmedizin eingesetzten Radioisotope werden häufig in Forschungsreaktoren hergestellt. So auch das am häufigsten hergestellte Mo-99, das als Ausgangsmaterial für die Produktion des Isotops Tc-99m dient. Tc-99m wird beispielsweise zur Tumordiagnostik eingesetzt. Gemäss der TUM gibt es jährlich weltweit über 30 Millionen Anwendungen von Tc-99m. Änderungen im Produktionsprozess haben daher schnell einen grossen Einfluss auf die Menge an anfallenden radioaktiven Abfällen.
«Hergestellt wird Technetium-99m, indem Uranplättchen, sogenannte Targets, mit einem hohen Neutronenfluss bestrahlt werden, wie er praktisch nur an Forschungsreaktoren verfügbar ist», schreiben Forschende der TUM in ihrer Medienmitteilung. Aus Uran-235 entstehe so zunächst Mo-99, das mit einer Halbwertszeit von 66 Stunden zu Tc-99m zerfalle. «Mit einer Halbwertszeit von sechs Stunden wandelt sich letzteres in Technetium-99 um und setzt dabei die für die Diagnostik benötigte Gammastrahlung frei», so die Forschenden.
Herstellung weltweit von HEU auf LEU umgestellt
Weltweit gibt es nur sechs grosse Bestrahlungsanlagen, in denen Mo-99 hergestellt wird. Im Rahmen des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen musste die ganze Tc-99m-Produktionskette umgestellt werden: Anstelle von hoch angereichertem Uran (HEU) kommt nur noch schwach angereichertes Uran (LEU) zum Einsatz. Dies sowohl beim Kernbrennstoff des Reaktors als auch bei den Uranplättchen.
Die Umstellung hat mehrere Jahre gedauert und war schwierig, da die gesamte Lieferkette für die Herstellung von Mo-99 neu gestaltet und qualifiziert werden musste. Bis Ende 2022 ist diese Umstellung überall abgeschlossen. Auch die in Bau stehende Mo-99-Bestrahlungsanlage der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibniz (FRM II) der TUM sei für Targets mit LEU konzipiert, so die Universität.
Menge an radioaktiven Abfällen steigt durch Umstellung
Tobias Chemnitz, Instrumentverantwortlicher an der medizinischen Bestrahlungsanlage MEDAPP am FRM II, erläutert die Folgen der Umstellung: «Dabei ergibt sich allerdings ein gravierendes Problem: Je geringer die Anreicherung der Uranplättchen mit Uran-235, desto geringer ist auch die spezifische Ausbeute an Mo-99 bei der Bestrahlung.» Um den Weltbedarf an Tc-99m decken zu können, müssten nun – je nach eingesetzter Technik –mindestens doppelt so viele Uranplättchen bestrahlt und verarbeitet werden wie vorher, wodurch auch ein entsprechend höheres Abfallvolumen anfalle, so Chemnitz.
Gemäss der TUM führen die Standardverfahren zur nasschemischen Abtrennung und Gewinnung von Mo-99 aus den bestrahlten Plättchen zu grossen Mengen an wässrigen mittelaktiven Abfällen. Die Umstellung auf LEU erfordert mehr Uranplättchen und vergrössert die Menge an mittelaktiven Abfällen weiter: Jährlich würden davon weltweit bis zu 15ʼ000 Liter entstehen, so die TUM.
Nasschemische Trennverfahren ersetzen
Chemnitz hat sich in seiner Doktorarbeit an der TUM mit der Lösung dieses Problems beschäftigt. Zusammen mit weiteren Forschenden habe er ein neues Trennverfahren zur Gewinnung von Mo-99 aus bestrahlten Plättchen entwickelt, das ohne Einsatz wässriger Chemie auskomme. Laut Chemnitz werden die Uran-Molybdän-Plättchen dabei mit Stickstofftrifluorid in einem Plasma zur Reaktion gebracht, wodurch sich überschüssiges Uran anschliessend vom Molybdän mit einer lichtgesteuerten Reaktion abtrennen lässt.
Das neu entwickelte Verfahren sei ähnlich effizient wie das nasschemische Verfahren, produziere aber im Gegensatz dazu keinen wässrigen Abfall, hält Chemnitz fest. Die TUM habe das Verfahren zum Patent angemeldet, sagt Chemnitz und wagt einen Ausblick: «Auch wenn noch weitere Entwicklungsarbeiten notwendig sind, bin ich zuversichtlich, dass es mittelfristig eine nachhaltige Alternative zu den etablierten Verfahren darstellen wird.»
Quelle
B.G. nach TUM, Medienmitteilung, 30. März 2022
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