Wegen EU-Taxonomie: Tschechien beschleunigt Bau des geologischen Tiefenlagers
Die tschechische Regierung hat am 11. Januar 2023 entschieden, dass die Vorbereitungen für ein geologisches Tiefenlager zur Entsorgung der verbrauchten Brennelemente und hochaktiven Abfälle des Landes beschleunigt werden. Mit einem Tiefenlager, das bereits 2050 anstelle von 2065 den Betrieb aufnimmt, will Tschechien die Anforderungen der Europäischen Union (EU) bezüglich EU-Taxonomie erfüllen.
Am 6. Juli 2022 hat das Parlament der Europäischen Union die Kernenergie als «Übergangstätigkeit» in die Liste der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten (sog. EU-Taxonomie) aufgenommen. Investitionen in die Kernenergie werden somit ab Januar 2023 als nachhaltig eingestuft. Länder, die mit ihren Kernenergietätigkeiten von der Taxonomie profitieren wollen, müssen allerdings festgelegte Anforderungen erfüllen: Unter anderem muss ein betriebsbereites Endlager für hochaktive Abfälle bereits 2050 vorliegen. Solch eine starre Frist hatte die Kernenergiebranche bereits im Vorfeld des Parlamentsentscheids als «nicht an den Bedarf ausgerichtet» kritisiert.
An seiner Sitzung vom 11. Januar 2023 hat das tschechische Kabinett (Regierung) nun beschlossen, dass es den Bau des Endlagers für ausgediente Brennelemente und hochaktive Abfälle beschleunigen und dieses bereits 2050 anstelle von 2065 in Betrieb nehmen will. «Um die Energieversorgungssicherheit und -autarkie durch die Erhöhung des Anteils der Kernenergie im Rahmen der Dekarbonisierung zu stärken, wird die Tschechische Republik bestrebt sein, die Kriterien der Taxonomie für den Bau eines Tiefenlagers im Jahr 2050 kontinuierlich zu erfüllen», hat der Minister für Industrie und Handel, Jozef Síkela, in einer Erklärung im Anschluss an die Kabinettsitzung festgehalten.
Síkela liess ebenfalls verlauten, dass Tschechien die Beschleunigung nur so lange anstrebe, wie diese Bedingung der EU-Taxonomie noch Gültigkeit habe. «Wir fordern eine Überarbeitung der Frist [dass das Tiefenlager bereits 2050 in Betrieb sein muss], damit die Kriterien näher an den Bedürfnissen der Mitgliedstaaten, einschliesslich Tschechiens, liegen». Zudem hielt er fest, dass auch mehrere Mitgliedsländer wie die Niederlande, Polen und die Slowakei auf einen Aufschub der bestehenden Frist hinwirken wollen.
Mitbestimmung der Bevölkerung soll gesetzlich verankert werden
In Tschechien läuft die Standortsuche für ein geologisches Tiefenlager und konnten schon vier mögliche Standortgebiete im Süden des Landes identifiziert werden. Wie in anderen Ländern üblich, können auch betroffene Bevölkerung und Gemeinden ihre Interessen einbringen; gesetzlich geregelt war dies bisher aber nicht. Das tschechische Kabinett hat an der Sitzung vom 11. Januar daher über einen Gesetzesentwurf beraten, der erstmals einen rechtlichen Rahmen für die Partizipation der Gemeinden und Landkreise festlegt.
Die Gemeinden müssen dafür sorgen, dass die Interessen der Bürger gewahrt werden, erhalten dafür aber «angemessen lange Fristen zur Stellungnahme zu allen Verfahren im Zusammenhang mit der Vorbereitung, der Errichtung und dem Betrieb des Tiefenlagers». Laut der Erklärung des Ministeriums für Industrie und Handel werde diese Lösung die Transparenz des gesamten Standortauswahlprozesses für ein geologisches Tiefenlager erhöhen und gehe sogar über die Forderungen der Euratom-Richtline aus 2011 hinaus.
Ebenfalls hat das Kabinett beschlossen, dass «beide Kammern [Senat und Abgeordnetenhaus] des Parlaments der Tschechischen Republik gemeinsam mit der Regierung über die Auswahl des endgültigen Standorts für das Tiefenlager entscheiden können».
Quelle
B.G. nach tschechischem Ministerium für Industrie und Handel, Medienmitteilung, 11. Januar 2023
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