Tschechische Politiker wollen mehr Kernenergie

Die führenden tschechischen Politiker aller grossen Parteien sowohl der Regierungskoalition wie auch der Opposition wollen dem erwarteten Strommangel mit dem Bau zusätzlicher Kernkraftwerke begegnen. Der Ausbau soll wenn möglich an einem der bestehenden Standorte – Dukovany oder Temelin – erfolgen.

24. März 2008
Der tschechische Premierminister Mirek Topolanek wünscht sich eine «offene Diskussion über Kernenergie».
Der tschechische Premierminister Mirek Topolanek wünscht sich eine «offene Diskussion über Kernenergie».
Quelle: Europäische Gemeinschaft

In einem Energieseminar des tschechischen Parlaments diskutierten Senatoren und Abgeordnete Ende Februar 2008 die künftige Energiepolitik des Landes im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Umweltschonung und Klimaschutz. Den Hintergrund bildete auf der einen Seite die bevorstehende Revision des Nationalen Energiekonzepts. Auf der anderen Seite fühlt sich das Land vom Anfang 2008 veröffentlichten Klima- und Energiepaket der EU-Kommission besonders betroffen. Es umfasst neue EU-Direktiven für Treibhausgasabgaben ab 2013 und die unterirdische CO2-Lagerung.

Umstrittenes Moratorium im Regierungsprogramm

Seit den Wahlen von 2006 regiert in Prag eine Koalition aus der Bürgerlich-demokratischen Partei (ODS), der Christlich-demokratischen Union und der Grünen Partei. Im Senat verfügt diese Koalition über die Mehrheit, im Abgeordnetenhaus indessen nur über genau die Hälfte der 200 Sitze. Die andere Hälfte gehört der Opposition aus der Sozialdemokratischen Partei (CSSD) und den Kommunisten. So ist Premierminister Mirek Topolanek (ODS) auf jede Stimme angewiesen - besonders auch die sechs Stimmen der Grünen. Diese konnten im Regierungsprogramm die Bestimmung durchsetzen, die Koalition werde den Bau neuer Kernkraftwerke «weder planen noch unterstützen».

Es war dieser Satz, der im Mittelpunkt der Diskussionen am parlamentarischen Energieseminar stand. Schon im Voraus liess Topolánek die Teilnehmer wissen, er befürworte eine «offene Diskussion über Kernenergie», doch zu entscheiden sei derzeit nichts. Einen Schritt weiter ging Vizepremierminister Alexandr Vondra (ODS). Er gab am Seminar der Hoffnung Ausdruck, die Grünen würden «nach und nach zur Vernunft kommen und wir uns alle hier bewusst werden, dass es ohne Atomenergie nicht geht». Dem pflichtete der Wirtschafts- und Energieexperte der oppositionellen CSSD, Milan Urban, bei. Er warnte, das Land werde ab 2015 nicht mehr über genug eigenen Strom verfügen. Es gebe keine andere Lösung als den Bau neuer Kernkraftwerke: «Ich würde mir wünschen, dass der Satz, wonach man die Kernindustrie nicht unterstützen wird, aus dem Regierungsprogramm verschwindet und dass wir schon morgen mit den Vorbereitungen für den Bau neuer atomarer Energiequellen beginnen.»

Hinter der ODS und der CSSD stehen zwei Drittel der tschechischen Bevölkerung. Für diese wiegen laut Meinungsumfragen die Vorteile der Kernenergie mögliche Nachteile deutlich auf.

Lebensdauerverlängerung und neue Einheiten

Das Kernenergiemoratorium im Regierungsprogramm betrifft nicht die längerfristige Planung. Das Ministerium für Industrie und Handel unter Martin Riman (ODS) hat den Auftrag, bis Ende 2008 das Nationale Energiekonzept von 2004 zu überarbeiten. In der noch geltenden Fassung sieht es für Dukovany (3 x 412 und 1 x 427 MW, PWR) die Lebensdauerverlängerung ab 2010 sowie den Zubau von 1200 MW Nuklearkapazität bis 2025 vor. Für Riman reicht dies aus heutiger Sicht nicht mehr aus, um den absehbaren Bedarfszuwachs zu decken und die strengeren Umweltauflagen der EU wirtschaftlich tragbar zu erfüllen. Das revidierte Konzept dürfte daher neben der Lebensdauerverlängerung auf den Zubau von 1000 MW Kernkraftwerkskapazität bis 2015 und mindestens nochmals 1000 MW bis 2025 hinauslaufen.

Wie Riman verschiedentlich - so in Interviews mit der tschechischen Wirtschaftszeitung E15 - betonte, könne die Regierung gegenwärtig nichts für den Bau neuer Kernkraftwerke tun. Hingegen habe das Elektrizitätsunternehmen CEZ freie Hand, alle nötigen Vorbereitungen zu treffen, dies obschon der Staat Mehrheitsaktionär sei und es wohl auch bleiben werde.

Für den Zubau kommen laut Riman grundsätzlich beide bestehenden Nuklearstandorte in Frage. Zu bedenken sei allerdings, dass der für Temelín zuständige Regionalrat Südböhmen 2003 gegen einen Ausbau gestimmt habe. Hingegen setze sich der für Dukovany zuständige Regionalrat Vysocina für einen Ausbau ein. In dieser Region - in Dolni Rozinka - befinde sich übrigens auch die einzige in der EU noch aktive Uranmine. Sie produziere jetzt wieder wirtschaftlich und für den Regionalrat wie auch sein Ministerium sei der Weiterbetrieb daher sinnvoll.

Quelle

P.B. nach Prager Zeitung, 6. März, Ekonomicky denik E15, 4. Januar und 6. März, sowie Ministerium für Industrie und Handel der Tschechischen Republik, Medienmitteilungen, 7., 23. und 28. Januar wie auch 4. und 28. Februar 2008

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Zur Newsletter-Anmeldung

Profitieren Sie als Mitglied

Werden Sie Mitglied im grössten nuklearen Netzwerk der Schweiz!

Vorteile einer Mitgliedschaft