Temelin: Abschluss des Melk-Prozesses mit EU-Vermittlung

Mit der Unterzeichnung eines Abkommens in Brüssel unter Vermittlung des EU-Erweiterungskommissars, Günter Verheugen, haben der österreichische Bundeskanzler, Wolfgang Schüssel, und der tschechische Premierminister, Milos Zeman, den im Melker Protokoll vom 12. Dezember 2000 vorgezeichneten Prozess offiziell zum Abschluss gebracht, wie der Disput zwischen den zwei Nachbarländern über die Inbetriebnahme des südböhmischen Kernkraftwerks Temelin zu lösen sei.

3. Dez. 2001

Die beiden Länder anerkennen das souveräne Recht jedes heutigen und künftigen EU-Mitgliedstaats, in der Energiepolitik eigene Wege zu gehen und die Kernenergie zu nutzen oder nicht. Dabei soll jedoch ein hoher Sicherheitsstand eingehalten und mit den Nachbarländern ein systematischer Informationsaustausch gepflegt werden. Konkret wird Österreich künftig darauf verzichten, zwischen der Zustimmung zum EU-Beitritt der Tschechischen Republik und dem Wunsch, das tschechische Kernkraftwerk mit den beiden WWER-1000-Druckwasserblöcken abzuschalten, ein Junktim zu machen. Die Tschechische Republik wird dafür sorgen, dass auch die letzten der von den verschiedenen internationalen Fachgruppen - namentlich vom Expertenteam der Internationalen Atomenergie-Organisation - aufgeworfenen, noch offenen Fragen beantwortet werden. Auch wird sie eine ständige Telefonlinie zur Benachrichtigung über Störfälle nach Österreich unterhalten. Schliesslich wird sie sicherstellen, dass bei einer möglichen Privatisierung der Betriebsgesellschaft - das Werk wird heute vom staatlichen tschechischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen CEZ betrieben - die Sicherheit auf einem hohen Stand gewährleistet bleibt. Diese Verpflichtungen werden beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sein, weil sie zu einem Bestandteil der Beitrittsakte erklärt worden sind.
Innerösterreichisch ist mit der Unterzeichung des Kompromisses keineswegs Ruhe eingekehrt. Die jahrelange Hetze gegen Temelin ist nicht vergessen, und die in der Regierung vertretene Freiheitliche Partei ist offenbar gewillt, daraus politisches Kapital zu schlagen. Sie hat ein Volksbegehren gegen das Abkommen angekündigt und auch mit dem Austritt aus der Koalition mit der Österreichischen Volkspartei von Bundeskanzler Schüssel gedroht. Dies müsste zu Neuwahlen führen.
Anders in der Tschechischen Republik: Dort ist man über den Kompromiss erleichtert. Laut einer Umfrage im Auftrag der CEZ, die nach der Inbetriebnahme von Temelin in Nordböhmen alte, die Umwelt belastende Kohlekraftwerke ausser Betrieb nehmen kann, befürworten 72% der über 18-jährigen den Betrieb von Kernkraftwerken in ihrem Land und nur 28% sind dagegen. Die Antworten auf weitere Fragen bestätigten, dass die tschechische Bevölkerung der Kernenergie neben dem Gas und der Wasserkraft den Vorzug gibt. Öl und Kohle dagegen sind für die Stromerzeugung weniger beliebt. Gemäss der von Nelson-Sofres-Factum durchgeführten Befragung ist eine relative Mehrheit von 48% für eine Privatisierung des Stromversorgungssektors, 34% sind dagegen und 18% haben keine Meinung.
Die CEZ meint, die technische Inbetriebnahme von Temelin-1 bald abschliessen zu können, nachdem es wegen Vibrationsproblemen im nichtnuklearen Turbinenkreislauf zu Verzögerungen gekommen ist. Der Fertigbau von Temelin-2 schreitet plangemäss voran. Die Inbetriebnahme ist für November 2002 vorgesehen. Ähnlich wie das finnische Kernkraftwerk Loviisa verfügt Temelin über östliche Druckwasserreaktoren gepaart mit westlicher Leittechnik. Es handelt sich um zwei 1000-MW-WWER-Reaktorblöcke der Baureihe V 320.

Quelle

P.B. nach Unterlagen des Foratom, November 2001, Inforum, 4. Dezember, und NucNet, 4. Dezember 2001

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