Schweizer Umfrage: rasche Lösung für die Entsorgung gefordert
Schweizer Bürgerinnen und Bürger sind mehrheitlich skeptisch gegenüber der Kernenergie eingestellt, verlangen eine rasche, konkrete Lösung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle und einen direkten Einbezug in die damit verbundenen Entscheidungsprozesse. Dies sind die Kernaussagen einer Umfrage über Kernenergie und radioaktive Abfälle, die im Sommer 2008 in der Schweiz durchgeführt wurde.
Im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) fand vom 11. bis 30. Juli 2008 bei 1026 Schweizer Bürgerinnen und Bürgern aus allen Landesteilen eine repräsentative Umfrage statt. Eine nahezu identische Umfrage war bereits im Frühjahr 2008 im Auftrag der Europäischen Kommission bei rund 27'000 Bürgerinnen und Bürger der 27 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt worden. Der am 23. September 2008 vom BFE publizierte Bericht «Attitudes towards radioaktive waste in Switzerland» präsentiert die Schweizer Resultate und vergleicht diese mit den Ergebnissen der EU-Befragungen.
Skeptische Haltung gegenüber der Kernenergie
Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger sind gegenüber der Kernenergie mehrheitlich skeptisch eingestellt: 52% sprechen sich eher oder vollständig gegen die nukleare Stromproduktion aus. Lediglich 40% befürworten sie. In der Schweiz zeigt sich damit eine stärkere Ablehnung der Kernenergie als in der EU, wo sich nur 45% gegen die Kernenergie aussprechen.
Beträchtliche Mehrheiten der Befragten sehen aber auch Vorteile der Kernenergie, dies insbesondere in der Diversifizierung der Energiequellen (66%) sowie in der Verringerung der Treibhausgasemissionen (65%) und der Reduzierung der Erdölabhängigkeit (57%).
Befürwortung in der Deutschschweiz höher
Mit 49% ist der Anteil der Kernenergie-Befürworter bei den Männern signifikant höher als bei den Frauen (32%). Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch als eher links einordnen, lehnen die Kernenergie mit 74% eher ab als diejenige, die sich politisch in der Mitte (41% Ablehnung) oder rechts (35% Ablehnung) eingliedern. In ländlichen Gegenden findet die Kernenergie mit 47% mehr Befürwortung als in grossen Städten (29% Befürwortung). Und in der Deutschschweiz, wo alle fünf Kernkraftwerke der Schweiz stehen, liegt die Befürwortungsrate zwischen 39% und 45% und damit höher als in der französischsprachigen (36%) oder der italienischsprachigen (33%) Schweiz. Die Resultate zeigen zudem, dass Bürgerinnen und Bürger, die sich gut über radioaktive Abfälle informiert fühlen, die Kernenergie eher befürworten.
Lösung für radioaktive Abfälle gefordert
Praktisch alle befragten Schweizer Bürgerinnen und Bürger, nämlich 97%, sind der Ansicht, dass jetzt eine konkrete Lösung für die radioaktiven Abfälle gefunden werden muss und das Problem nicht nachfolgenden Generationen überlassen werden darf. Rund die Hälfte der Befragten sehen die geologische Tiefenlagerung der radioaktiven Abfälle als die am besten geeignete Methode für die langfristige Lagerung an. Ein Drittel lehnt die Tiefenlagerung ab und 20% wissen nicht, was die beste Lösung wäre. Gleichzeitig denken 77%, dass es keine sichere Lösung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle gibt.
Würde ein geologisches Tiefenlager in der Nähe ihres Wohnorts gebaut, so verlangen 6 von 10 Schweizer Bürgerinnen und Bürger (60%) persönlich informiert und in den Entscheidungsprozess einbezogen zu werden. 17% möchten lokale Nichtregierungsorganisationen (NGO) in den Entscheidungsprozess involviert wissen und nur 18% möchten diese Entscheide allein den zuständigen Behörden überlassen.
Falls ein geologisches Tiefenlager in ihrer Nähe gebaut würde, befürchten 53% mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt. Das Risiko, dass radioaktive Stoffe entweichen könnten, beunruhigt 25% und einige der Befragten machen sich auch Gedanken über die Abfalltransporte zum Endlager (11%), terroristische Anschläge (4%) oder über den möglichen Wertverlust von Grundstücken und Immobilien (3%).
Wissensstand über radioaktive Abfälle
58% der befragten Schweizer Bürgerinnen und Bürger fühlen sich über radioaktive Abfälle zu wenig informiert, während sich 41% als gut informiert betrachten. Damit fühlen sich die Schweizer Bürger deutlich besser aufgeklärt als die Bevölkerung der EU, wo sich 74% als uninformiert bezeichneten. Vier Fünftel der Befragten wissen, dass es verschiedene Abfallkategorien (schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle) gibt und dass radioaktive Abfälle auch in Forschungszentren sowie in Spitälern und gewissen Industriebranchen anfallen. Allerdings weiss nur ein Drittel, dass die verschiedenen Abfallkategorien in unterschiedlich grossen Mengen anfallen. Zudem sind vier Fünftel der Befragten der Ansicht, dass sämtliche radioaktiven Abfälle aller Kategorien sehr gefährlich sind.
Der Wissensstand über radioaktive Abfälle ist bei den Männern besser als bei den Frauen. Letztere beantworteten nur 49% der Fragen korrekt, während die Männer zu 58% korrekte Antworten gaben. Weiter zeigte sich, dass der Wissensstand bei der Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren am besten war, ebenso bei den Befragten mit längeren Ausbildungen und bei den Befragten, die sich politisch als eher links einordnen.
Vertrauenswürdigkeit der Informationsquellen
Schweizer Bürgerinnen und Bürger schätzen Informationen über radioaktive Abfälle vor allem dann als vertrauenswürdig ein, wenn diese aus unabhängigen Quellen stammen, insbesondere von NGO (33%), Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (32%) sowie von internationalen Organisationen, die sich für die friedliche Nutzung der Kenenergie einsetzen (30%). Je ein Viertel (24%) vertraut jedoch auch auf die Informationen der Nagra und des Bundesrats. Am wenigsten Vertrauen haben die Schweizer zu den Informationen der Medien (7%).
Der vollständige Bericht zur Schweizer Umfrage «Attitudes towards radioaktive waste in Switzerland» (nur in englischer Sprache) ist auf der Internetseite des Bundesamts für Energie verfügbar.
Quelle
D.S. nach BFE, Medienmitteilung, 23. September 2008