Saporischschja: Einschätzung von Schweizer Nuklearexperten

Im aktuellen Krieg Russlands gegen Ukraine wird derzeit die Sicherheitslage des Kernkraftwerks Saporischschja diskutiert. Beide Länder beschuldigen sich gegenseitig, einen Anschlag auf das Kernkraftwerk zu planen. Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) haben vor Ort bisher keine sichtbaren Hinweise auf Minen oder Sprengstoffe festgestellt. Petros Papadopoulos, Nuklearingenieur und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kernfachleute (SGK), ordnet das Risiko ein.

13. Juli 2023
Petros Papadopoulos
Nuklearingenieur Petros Papadopoulos über das Kernkraftwerk Saporischschja: «Die Nachzerfallswärme ist nur noch ein Bruchteil von dem, was zum Reaktorunfall in Fukushima geführt hat.»
Quelle: Privat

Er könne die Situation vor Ort nicht im Detail abschätzen. Aber vor dem Hintergrund der gesicherten Informationen über den Reaktor und seiner Auslegung könne man das Risiko und die Folgen eines Anschlages von aussen besser einschätzen und einige Szenarien relativieren.

Fünf der sechs Blöcke des Kernkraftwerks Saporischschja befinden sich seit mehreren Monaten im Cold-Shutdown. Das heisst, die Blöcke sind seit mehreren Monaten abgestellt und produzieren derzeit keinen Strom. (Ein Block befindet sich im Hot Shutdown, das heisst, es ist noch leicht aktiv.) Die Brennelemente müssen aber weiter gekühlt werden. «Die Nachzerfallswärme ist jedoch nur noch ein Bruchteil von dem, was zum Beispiel zum Reaktorunfall in Fukushima geführt hatte. Das heisst die Kühlung, selbst mit einsetzendem Kernschaden, wäre mit geringen Mitteln zu beherrschen, betont Petros Papadopoulos. «Ausserdem ist das radioaktive Jod, für welches wir unsere Jodtabletten haben, mittlerweile komplett zerfallen.»

Das Containment, also das Reaktorgebäude mit einer Betonwandstärke von über einem Meter, der den nuklearen Teil einer Kernanlage umschliesst, sei zwar nicht für massive kriegerische Angriffe ausgelegt, könne aber etwa einem Absturz eines grossen Verkehrsflugzeuges standhalten. «Selbst ein beschädigtes oder zerstörtes Containment bedeutet nicht direkt eine Freisetzung von Radioaktivität», unterstreicht Papadopoulos. «Der Reaktor und die Kühlsysteme liegen im Gebäude selbst nochmals viel tiefer unter einem weiteren Betonboden und würden bei einer Beschädigung des Containments nicht automatisch mitbetroffen sein.»

Selbst wenn eine Sprengung Teile der Kühlungssysteme ausser Betrieb setzen würden, bliebe aufgrund der sehr geringen Wärmeleistung und des grossen Wasserinventars im Reaktor genug Zeit, eine mögliche Lösung zur Einrichtung einer alternativen Kühlung zu finden.

Quelle

S.D.

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