Russland testet unfalltoleranten Brennstoff
Russland hat erstmals sogenannten unfalltoleranten Brennstoff (Accident Tolerant Fuel, ATF) für Tests in einen seiner Forschungsreaktoren geladen. Die russische Brennstoffherstellerin JSC Tvel will derartigen Brennstoff dereinst auf dem Markt anbieten. Die Entwicklung von ATF ist nach Fukushima weltweit in den Fokus gerückt.
Die Tvel setzte im Multi-Loop-Reaktor MIR des Research Institut of Atomic Reactors (RIAR) in Dimitrowgrad erstmals zwei Brennelemente mit selbstentwickeltem, unfalltolerantem Brennstoff ein. Jedes Brennelement beinhaltet 24 Brennstäbe, die zu Testzwecken aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Einerseits werden zwei verschiedene Brennstoffmatrizen verwendet: heute übliches Uranoxid und eine dichtere, thermisch leitfähigere Uran-Molybdän-Legierung. Andererseits bestehen die Hüllrohre entweder aus einer Zirkoniumlegierung oder aus einer Chrom-Nickellegierung. Pro Brennelement werden so vier verschiedene Materialkombinationen getestet. Daneben setzt die Tvel in einem Brennelement die Brennstabgeometrie russischer WWER-Typen ein und im anderen jene international verwendeter PWR. Das Unternehmen erklärte, dass die beiden Brennelemente unter betriebsnahen Bedingungen getestet werden – sowohl für WWER wie auch für die anderen PWR.
Die erste Phase, bestehend aus Reaktortests und Nachuntersuchungen, soll 2019 abgeschlossen werden. Mit den daraus gewonnenen Daten soll die optimale Materialkombination ausgewählt sowie Berechnungen und Validierungen für Leichtwasserreaktorkerne durchgeführt werden. In einem weiteren Schritt will die Tvel in Russland einzelne neue Brennstäbe testweise in kommerziellen Kernkraftwerkseinheiten einsetzen.
Internationale Anstrengungen
Russland ist nicht das einzige Land, das an der Entwicklung von unfalltolerantem Brennstoff arbeitet. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) publizierte 2016 einen Bericht mit dem Titel «Accident Tolerant Fuel Concepts for Light Water Reactors». Einen Überblick über die Entwicklungen von ATF gibt auch der 2018 erschienene «State-of-the-Art Report on Light Water Reactor Accident-Tolerant Fuels» der Nuclear Energy Agency (NEA) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Die heute in Hüllrohren verwendete Zirkoniumlegierung wird zwar erfolgreich eingesetzt und weist generell gute Eigenschaften auf. Das Material reagiert jedoch bei hohen Temperaturen chemisch mit Wasserdampf. Unter schweren Unfallbedingungen, wie in Fukushima-Daiichi, kann so entzündliches Wasserstoffgas entstehen. Die Verbesserung der Brennstoffeigenschaften rückte deshalb nach Fukushima-Daiichi international vermehrt in den Vordergrund.
Quelle
M.B. nach Tvel, Medienmitteilung, 28. Januar 2019
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