Radioaktive Abfälle: Nagra schlägt Nördlich Lägern für geologisches Tiefenlager vor
Die Nagra hat am 12. September 2022 Nördlich Lägern als Standort zur Entsorgung aller radioaktiven Abfälle in einem geologischen Tiefenlager vorgeschlagen. Das Gebiet liegt in den Kantonen Aargau und Zürich, nordwestlich von Bülach. Die Brennelementverpackungsanlage soll beim bestehenden Zwischenlager in Würenlingen, im Kanton Aargau, erstellt werden. Von den drei vertieft untersuchten Gebieten weist Nördlich Lägern die grösste geologische Barrierewirkung, die beste Stabilität der Gesteinsschichten sowie eine hohe Flexibilität für die Anordnung des unterirdischen Lagers auf.
Seit 2008 läuft die Suche nach Standorten für geologische Tiefenlager, in denen radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken, Medizin, Industrie und Forschung zukünftig dauerhaft sicher entsorgt werden. Der Suchprozess «Sachplan geologische Tiefenlager» ist in drei Etappen aufgeteilt und wird vom Bundesamt für Energie (BFE) geleitet. Die sicherheitstechnischen Vorgaben werden vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) definiert, das als Aufsichtsbehörde auch die Arbeiten der Nagra überprüft.
Die Nagra hat viele Gebiete geprüft, die für ein Tiefenlager in Frage kommen könnten und hat schrittweise eingeengt. «2018 hat der Bundesrat festgelegt, dass die Nagra drei Gebiete vertieft untersuchen soll: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost», schrieb die Nagra. Nach umfangreichen Untersuchungen könne sie nun den Standort für ein Tiefenlager vorschlagen. Am 12. September 2022 gab die Nagra bekannt: «Nördlich Lägern ist der sicherste Standort für ein Tiefenlager: Dort schliesst das Gestein im Untergrund den radioaktiven Abfall langfristig am besten ein.» Vorgesehen ist ein Kombilager, in welchem sowohl schwach- und mittelaktive Abfälle als auch hochaktive Abfälle – mit einer räumlichen Trennung im Untergrund – entsorgt werden können.
Das Gebiet Nördlich Lägern liegt im Zürcher Unterland in der Nordschweiz. Gemäss Nagra soll der Eingang zum Tiefenlager, die sogenannte Oberflächenanlage, im Gebiet Haberstal in der Zürcher Gemeinde Stadel gebaut werden. Dieser Standort sei in Zusammenarbeit mit der Region und dem Kanton bestimmt worden. «Die Verpackungsanlagen für den radioaktiven Abfall plant die Nagra beim bereits bestehenden Zwischenlager (Zwilag) in Würenlingen», verkündete die Nagra. Dort böten sich Synergien mit dem Zwischenlager und ökologische Vorteile.
Was spricht für Nördlich Lägern?
«Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt: Nördlich Lägern ist der beste Standort mit den grössten Sicherheitsreserven. Die Qualität des Gesteins ist dort am höchsten, es schliesst den radioaktiven Abfall am besten ein – heute und in ferner Zukunft», hielt die Nagra fest. Während sich die Landschaft an der Erdoberfläche verändere, bleibe das Tiefenlager im Untergrund in Nördlich Lägern am besten geschützt, weil das Gestein dort am stabilsten sei. «Zudem ist der geeignete Bereich im Untergrund von Nördlich Lägern am grössten – und damit auch die Flexibilität beim Bau des Lagers», so die Nagra.
Das BFE beschreibt die Gründe mit ähnlichen Worten: «Gemäss Nagra hat der Opalinuston im Standortgebiet Nördlich Lägern [im Vergleich mit den anderen Standortgebieten] jedoch die beste geologische Barrierewirkung. Der Opalinuston liegt hier zudem tiefer und ist durch harte Gesteinsschichten oberhalb besser vor Erosion geschützt.» Der Opalinuston weise einen grossen, ruhig gelagerten Bereich auf, was die Flexibilität bei der Anordnung der Lagerbereiche erhöhe, so das BFE. Bei der Erosion spielen vor allem Gletscher und Flüsse eine Rolle, welche die Dicke der schützenden Gesteinsschicht über dem Tiefenlager – im Verlaufe von Zehntausenden von Jahren – reduzieren können.
Nagra war 2015 bezüglich Nördlich Lägern zu vorsichtig
2015 hat die Nagra Nördlich Lägern eigentlich schon aus dem Rennen genommen, revidiert mit dem heutigen Entscheid aber ihre frühere Bewertung. Die Nagra habe 2015 «aus der damaligen Datenlage bautechnische Nachteile abgeleitet», schreibt die Entsorgungsorganisation. «Das Ensi beanstandete, diese Nachteile seien nicht ausreichend mit Daten untermauert», so die Nagra, worauf sie alle drei Gebiete ausführlich untersucht habe. Aus heutiger Sicht gibt die Nagra zu: «Fazit aufgrund der Ergebnisse: Die damalige Bewertung der Nagra war zu vorsichtig.» Gemäss Nagra könnte auch aus heutiger Sicht in allen drei Standortgebieten ein sicheres Tiefenlager gebaut werden. Nördlich Lägern sei aber der sicherste Standort.
Was geschieht nun?
Sowohl das BFE als auch die Nagra betonten, dass die Bekanntgabe des Standortvorschlags für das Tiefenlager und die Verpackungsanlage ein wichtiger Meilenstein sei. Die «Ankündigung des Standortgebiets ist noch keine Bewilligung», hielt das BFE fest. «Die Nagra erarbeitet nun bis voraussichtlich 2024 die Rahmenbewilligungsgesuche [für das Tiefenlager und die Brennelementeverpackungsanlage], die beim Bund eingereicht werden. Anschliessend prüfen Behörden und Expertengremien die Gesuche, bevor der Bundesrat und das Parlament darüber entscheiden», erklärte die Nagra und ergänzte, dass das Schweizer Stimmvolk das letzte Wort haben werde, wenn ein Referendum zustande komme.
Die Prüfung bis hin zum Entscheid werde noch bis Ende der 2020er-Jahre dauern. «Die Bekanntgabe zum jetzigen Zeitpunkt ist aber nötig, damit die Zusammenarbeit der Akteure mit den Betroffenen weitergehen kann», so das BFE. Zudem sei die Bekanntgabe im Sachplan vorgeschrieben, um Transparenz zu schaffen.
Statement des Nuklearforums Schweiz
Hans-Ulrich Bigler, der Präsident des Nuklearforums Schweiz, äusserte sich zum Nagra-Vorschlag: «Der Standort-Vorschlag der Nagra für ein künftiges Tiefenlager ist ein wichtiger Schritt für die sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle der Schweiz, dem umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu Grunde liegen. Damit wird der Prozess eines verantwortungsvollen Umgangs mit radioaktiven Abfällen entscheidend fortgesetzt.»
Auf ihrer Website hat die Nagra zahlreiche Factsheets sowie einen Bericht zu ihrem Standortvorschlag aufgeschaltet.
Quelle
B.G. nach Nagra und BFE, Medienmitteilungen, 12. September 2022
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