Neubaupläne in Kosloduj wieder auf der Agenda
Bulgarien beabsichtigt, die ehemaligen Pläne für den Bau einer neuen Kernkraftwerkseinheit am bestehenden Standort Kosloduj mit amerikanischer Reaktortechnologie wiederaufleben zu lassen. Dies hat der bulgarische Premierminister, Boiko Borissow, am 13. Oktober 2020 bei einem Besuch vor Ort angekündigt.
Am Standort Kosloduj an der Donau im Nordwesten Bulgariens ist das einzige Kernkraftwerk des Landes in Betrieb. Von den sechs Einheiten liefern heute nur noch zwei Strom. Als Bedingung für den EU-Eintritt Bulgariens waren Kosloduj-1 bis -4 vom Typ WWER440/V230 Ende 2002 und Ende 2006 vorzeitig vom Netz genommen worden.
In einem Interview für einen der nationalen bulgarischen Fernsehsender am 13. Oktober 2020 sagte Energieministerin Temenuschka Petkowa, die Regierung plane, der staatlichen Bulgarian Energy Holding EAD (BEH) ein Mandat zu erteilen. Damit könne die BEH amerikanische Unternehmen der Nuklearbranche kontaktieren, um sich nach den potenziellen Kosten einer neuen Einheit zu erkundigen. Die BEH habe dafür bis Januar 2021 Zeit. Laut Petkowa werden kleine, modulare Reaktoren zu den untersuchten Technologien gehören. Um zum Einsatz zu kommen, müssten sie aber über eine «europäische Zulassung» verfügen.
Ein Neubau am Standort Kosloduj schliesse die Fortführung des Bauprojekts am Standort Belene nicht aus, betonte Petkowa. Dort sind zwei russische Einheiten geplant.
Belene-Projekt
Der Bau von zwei WWER-Einheiten am Standort Belene hatte bereits 1986 begonnen. Die Arbeiten kamen jedoch 1991 aus Geldmangel zum Stillstand, als Belene-1 zu 65% fertiggestellt war. Ab 2003 wurde das Projekt reaktiviert. Doch 2012 kam die bulgarische Regierung zum Schluss, dass sie auf den Fertigbau des Werks verzichten wolle. Der Bau einer siebten Kernkraftwerkseinheit am Standort Kosloduj sei realistischer. Die nötige Infrastruktur sei bereits vorhanden und das Projekt biete eine grössere Chance, einen strategischen Investor zu finden. Darüber hinaus sei der Bau einer 1000-MW-Einheit näher an der finanziellen Leistungsfähigkeit Bulgariens und entspräche eher dem Energiebedarf des Landes.
Im August 2012 erhielt die Westinghouse Electric Company den Auftrag, eine Machbarkeitsstudie zum Bau einer siebten Einheit in Kozloduj unter Verwendung der AP1000-Technologie als Referenz durchzuführen. Ein Jahr darauf gab die nachfolgende sozialistische Regierung den Startschuss für eine neue Einheit in Kozloduj und kündigte an, exklusive Gespräche mit der Westinghouse aufzunehmen. Das Unternehmen unterzeichnete im August 2014 eine Aktionärsvereinbarung mit der Regierung, wonach eine Vereinbarung über die Finanzierungsbedingungen abgeschlossen werden musste. Dies geschah jedoch nie.
Nachdem Bulgarien 2016 ein internationales Schiedsverfahren gegen Russland verloren hatte, musste es den russischen Lieferanten EUR 600 Mio. für den Grossteil der für Belene bestellten Komponenten zahlen. Da diese damit in bulgarischen Eigentum übergingen, beschloss die Regierung im Juni 2018 das Projekt nach einer Abstimmung im Parlament offiziell wiederzubeleben. Mit dem Fokus auf die Fortsetzung des Belene-Projekts schien die Regierung Neubaupläne für Kosloduj begraben zu haben.
Mehr Kernenergie nötig wegen EU-Politik
Auf die Frage, warum Bulgarien beabsichtige, auch in Kosloduj zu bauen, erklärte Petkowa, der Schritt sei durch die EU-Politik zur Dekarbonisierung und zur Erreichung der Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 motiviert. Derzeit liefern Kohlekraftwerke rund 45% des Stroms. Sie sagte, die Regierung arbeite «im Interesse der Bürger» an der Diversifizierung der Energiequellen.
Im November 2019 hatten der amerikanische Präsident Donald Trump und Borissow erklärt, sie wollten bei der «Diversifizierung des Kernenergiesektors» zusammenarbeiten, jedoch nur Energieprojekte entwickeln, die eine klare wirtschaftliche Grundlage oder einen klaren wirtschaftlichen Bedarf hätten.
Im Januar 2020 besuchte ein technisches Team der USA Bulgarien, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in verschiedenen Energiebereichen, einschliesslich der Nuklearindustrie, zu untersuchen.
Quelle
M.A. nach NucNet, 14. Oktober 2020
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