Mehr Nachhaltigkeit in der Kernenergie mit Schnellen Reaktoren
Aktuelle Kraftwerke mit thermischen Reaktoren nutzen nur einen Bruchteil des natürlichen Urans als Brennstoff. Schnelle Reaktoren hingegen nutzen fast das gesamte im Brennstoff enthaltene Uran und ermöglichen einen vollständig geschlossenen Brennstoffkreislauf. Dies reduziert die Abfallmenge und schont die Uranressourcen. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) und weitere Organisationen fördern daher diese Kerntechnologie.
Die IAEO führte vom 19. bis 22. April 2022 in Wien die Internationale Konferenz über Schnelle Reaktoren und dazugehörige Brennstoffkreisläufe durch. In seiner Eröffnungsrede hielt der IAEO-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi fest, dass es auch die Kernenergie als kohlenstoffarme Energiequelle brauche, um die Herausforderungen zu meistern, die das weltweite Wachstum und die Förderung des Wohlstands mit sich bringen.
Wesentliche Vorteile bieten dabei Schnelle Reaktoren: «Es ist an der Zeit, sich wieder auf Schnelle Reaktoren zu konzentrieren: eine innovative Technologie, die viel mehr Energie aus Uran gewinnt und nukleare Abfälle immer wieder recycelt, was dazu beiträgt, die natürlichen Ressourcen zu erhalten und gleichzeitig die Umweltauswirkungen von Abfällen zu reduzieren», so Grossi. Was der IAEO-Generaldirektor damit anspricht, zeigen die folgenden Abschnitte.
Was ist ein schneller Reaktor?
In einem Schnellen Reaktor (Fast Reactor) bewegen sich die Neutronen, welche die Kettenreaktion aufrechterhalten, ungebremst. Es sind daher schnelle Neutronen. Ein Schneller Reaktor benötigt keinen Moderator, der die Neutronen abbremst.
Im Gegensatz dazu benötigen die heutigen thermischen Leistungsreaktoren einen Moderator, wie zum Beispiel Wasser, der die Neutronen abbremst – man spricht dann von thermischen Neutronen. Als Brennstoff verwenden thermische Reaktoren typischerweise Uranbrennstoff, der einen höheren Anteil an spaltbarem Uran-235 aufweist, als die 0,7% Uran-235, die im Natururan vorkommen. Natururan besteht somit überwiegend aus nicht spaltbarem Uran-238.
«Schnelle Reaktoren können mehr Brennstoff produzieren oder ‹erbrüten› als sie verbrauchen», schreibt die IAEO. Ein Schneller Reaktor kann mit Hilfe von schnellen Neutronen aus dem Uran-238 via Zerfallsprozesse spaltbares Plutonium-239 erbrüten. Bei der Kernspaltung von Plutonium-239 werden neue Neutronen freigesetzt, mit denen aus Uran-238 wiederum Brennstoff erbrütet werden kann. In einem Brutreaktor werden sogar mehr Neutronen freigesetzt und daher wird mehr Brennstoff erbrütet, als der Reaktor selbst verbraucht. Gemäss IAEO können Schnelle Reaktoren «bis zu 70 Mal mehr Energie aus dem Brennstoff gewinnen als die bestehenden thermischen Reaktoren».
Geschlossene Brennstoffkreisläufe und Vernichten von Abfallbestandteilen
Laut IAEO ermöglichen Schnelle Reaktorsysteme einen vollständig geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf, in dem bestrahlter Kernbrennstoff wiederaufbereitet und wiederverwendet wird. «Ein solches Energiesystem könnte potenziell für Tausende von Jahren nachhaltig sein. Mehrere Länder haben umfangreiche Erfahrungen mit der Wiederaufarbeitung und dem Recycling gesammelt, die dazu beitragen können, die Grundlage für künftige Kernenergiesysteme zu schaffen, in denen Schnelle Reaktoren eine wichtige Rolle spielen», so die IAEO.
Horst-Michael Prasser, emeritierter Professor der ETH, hat gegenüber Kernenergie.ch einen weiteren Vorteil der Schnellen Reaktoren erwähnt: «Mit Reaktoren, die mit schnellen Neutronen arbeiten, liessen sich langlebige Bestandteile im hochaktiven Abfall (sogenannte minore Aktiniden) in Spaltprodukte umwandeln, die innerhalb von zirka 1000 Jahren praktisch vollständig zerfallen. Diese Umwandlung nennt sich Transmutation. Die notwendigen Einschlusszeiten in einem Tiefenlager würden sich damit verringern.»
Reaktoren der Generation IV
Schnelle Reaktoren gehören gemäss IAEO zu den ersten Technologien, die in den Anfängen der Kernenergie eingesetzt wurden, «da klar war, dass die Nutzung von nur 1% der im Natururan gespeicherten potenziellen Energie keine nachhaltige Entwicklung der Kernenergie gewährleisten kann». Heute würden neue Konzepte, Technologien und Fortschritte in der Materialforschung in Verbindung mit einer langfristigen Vision einer nachhaltigeren Kernenergie für eine Wiederbelebung der Option des Schnellen Reaktors sorgen, so die IEAO. «China, Indien und Russland betreiben derzeit Schnelle Reaktoren. Mehrere andere Länder entwickeln sie für den mittelfristigen Einsatz, auch unter Verwendung von Kühlmitteln wie Natrium, Blei, Blei-Bismut, Gas und geschmolzenem Salz», erklärt die IAEO.
Mit diesen Kühlmitteln werden Reaktoren der sogenannten vierten Generation angesprochen, die einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der Energieversorgung der Menschheit leisten sollen. Das «Generation IV International Forum» (GIF) – ein Zusammenschluss mehrerer Länder, zu der auch die Schweiz gehört – hat sechs Reaktorsysteme der Generation IV zur Weiterentwicklung ausgewählt. Drei davon sind sogenannte Schnelle Reaktoren: der bleigekühlte Schnelle Reaktor (LFR), der gasgekühlte Schnelle Reaktor (GFR) und der natriumgekühlte Schnelle Reaktor (SFR). Mehr zu diesen Reaktortypen erfahren Sie im neuesten Faktenblatt «Reaktorsysteme der Zukunft: Strom für übermorgen» des Nuklearforums.
Noch braucht es einiges an Forschungs- und Entwicklungsarbeit, bis diese Reaktoren ab 2030 kommerziell eingesetzt werden können, wie es das GIF anstrebt. Bei diesen Schritten leistet die IAEO Unterstützung und spielt gemäss eigenen Angaben «eine Schlüsselrolle durch den Austausch von Informationen und Erfahrungen, koordinierte Forschungsprojekte, technische Veröffentlichungen, technische Arbeitsgruppen und internationale Konferenzen».
Kernkraft im Einsatz gegen den Klimawandel
Dass die IAEO diese Rolle aktiv einnimmt, zeigt auch eine Aussage von IAEO-Generaldirektor Grossi an der Konferenz in Wien. Er hielt fest, dass die «Schnellen Reaktoren und die dazugehörigen Brennstoffkreisläufe zu den Nukleartechnologien gehören, die zur Bewältigung der grossen Herausforderungen – vom Klimawandel bis zur nachhaltigen Entwicklung – benötigt werden». Er kündigte an, dass er diese Argumente auf der Uno-Klimakonferenz in Scharm asch-Schaich (COP27) im November 2022 erneut vorbringen werde, wie er es bereits auf der COP26 in Glasgow im vergangenen Jahr getan habe.
Quelle
B.G. nach IAEO, Medienmitteilung, 19. April 2022
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