Kosten eines schnellen Ausstiegs Deutschlands aus der Kernenergie

Eine sofortige dauerhafte Abschaltung von acht Kernkraftwerkseinheiten in Deutschland und eine Abschaltung der übrigen Blöcke bis Ende 2017 lässt die Strompreise um fast ein Drittel steigen: Die Strom-Grosshandelspreise lägen 2018 bei EUR 70 (CHF 90) pro MWh. Das ist ein Ergebnis der Studie «Energieökonomische Analyse eines Ausstiegs aus der Kernenergie in Deutschland bis 2017» des Kölner Energieforschungsinstituts r2b energy consulting GmbH (r2b) im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

2. Mai 2011

Basierend auf dem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vom 26. Oktober 2009 erarbeitete die deutsche Regierung im Jahr 2010 ein langfristiges Energiekonzept «für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung», das am 28. September 2010 veröffentlicht wurde. Ein Kernbestandteil dieses Konzepts ist eine Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke. Am 28. Oktober 2010 verabschiedete der Deutsche Bundestag entsprechende Gesetzesvorlagen. Die Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima haben die Regierung veranlasst, die sieben ältesten Kernkraftwerke sowie das Kernkraftwerk Krümmel für drei Monate vom Netz zu nehmen. Von Seiten der Oppositionspartei Bündnis 90/Die Grünen wurden zudem Stimmen laut, die einen vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland bis zum Jahr 2017 fordern.

Vor diesem Hintergrund beauftragte der BDI die r2b, die energiewirtschaftlichen Auswirkungen eines raschen Ausstiegs aus der Kernenergie bis 2017 mit dem Energiekonzept von 2010 zu vergleichen. Hierzu wurden zwei Szenarien betrachtet und miteinander verglichen. Konkret wurde im Szenario «Ausstieg 2017» unterstellt, dass bei einem so raschen Kernenergieausstieg die bereits im Moratorium befindlichen Kraftwerksblöcke Biblis A und B, Neckarwestheim-1, Isar-1, Unterweser, Brunsbüttel, Philippsburg-1 sowie Krümmel nicht wieder hochgefahren werden. Für die restlichen Kernkraftwerke wird mit einer Abschaltung Ende 2017 gerechnet. Somit wären im Falle eines raschen Ausstiegs ab sofort bereits mehr als 60 Mrd. kWh Kernenergiestrom jährlich zu ersetzen. Ab 2018 müssten weitere rund 90 Mrd. kWh im Jahr substituiert werden. In der Untersuchung wird dieser Fall mit dem Szenario «Energiekonzept» verglichen, das von der Laufzeitverlängerung entsprechend dem elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ausgeht, wonach die ersten Kernkraftwerke erst ab dem Jahr 2019 stillgelegt würden.

51 Milliarden Mehrkosten bis 2020

Laut der Studie kommen von 2012 bis 2020 auf die Stromverbraucher allein durch den vorgezogenen Kernenergieausstieg Mehrkosten von insgesamt rund EUR 33 Mrd. zu. Diese erklären sich vor allem durch den Einsatz teurerer Erzeugungstechnologien und durch höhere CO2-Preise. Den grössten Anteil müssten Industrie und weitere Gewerbekunden übernehmen: Sie hätten 2012–2020 EUR 24 Mrd. Mehrkosten zu tragen, private Verbraucher EUR 9 Mrd. Rechnet man die Mehrkosten eines Ausstiegs mit den absehbaren Kosten des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Netzinfrastruktur gemäss Energiekonzept für alle Kunden zusammen, so betragen die Mehrbelastungen 2012–2020 sogar EUR 51 Mrd. (CHF 66 Mrd.).

Aufschlüsselung nach Kundentyp

Die Berechnungen der r2b zeigen, dass ein typischer deutscher Haushalt (Stromverbrauch von 3500 kWh pro Jahr) 2018 im Vergleich zu heute mit rund EUR 84 mehr belastet würde. Durch einen schnellen Ausstieg kämen zusätzlich EUR 53 hinzu. Die Gesamtbelastung für einen Haushalt würde 2018 damit im Vergleich zu heute um EUR 137 (CHF 177) steigen.

Der Anstieg der Stromkosten für ein typisches Industrieunternehmen, das nicht in einer energieintensiven Branche tätig ist (Stromverbrauch von 2 Mio. kWh pro Jahr), würde 2018 EUR 50'000 Euro betragen. Bei einem schnellen Ausstieg kämen EUR 22'000 hinzu. Damit wäre die Gesamtbelastung 2018 im Vergleich zu heute um EUR 72'000 höher (CHF 92'971), also 44%.

Ein typisches energieintensives Industrieunternehmen (Stromverbrauch von 24 Mio. kWh pro Jahr) würde 2018 im Vergleich zu heute mit rund EUR 180'000 mehr belastet. Durch einen schnellen Ausstieg kämen zusätzlich EUR 400'000 hinzu. Die Gesamtbelastung wäre demnach um EUR 580'000 (CHF 748'933), also 222%, höher als heute.

Zunahme der CO2-Emissionen um 28%

Ersetzt würde die Stromerzeugung aus deutschen Kernkraftwerken kurzfristig zur einen Hälfte durch Importe aus dem Ausland (insbesondere Frankreich und Tschechien) und zur anderen Hälfte durch inländische Kohle- und Gaskraftwerke, so ein weiteres Ergebnis der r2b energy consulting. Damit würden 2018 die deutsche Energiewirtschaft 282 Mio. t CO2 ausstossen. Das sind gegenüber dem Energiekonzept 62 Mio. t CO2 mehr – eine Zunahme um 28%.

Quelle

M.A. nach BDI, Medienmitteilungen, 24. April, sowie Studie «Energieökonomische Analyse eines Ausstiegs aus der Kernenergie in Deutschland bis 2017», 20. April 2011

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