Hauptgründe für den Entscheid von Fermi Energia für die SMR-Technologie von GEH
Das estnische Unternehmen Fermi Energia hat sich im Februar 2023 für den kleinen, modularen Reaktor BWRX-300 von GE Hitachi Nuclear Energy (GEH) entschieden. Ein Video der Veranstaltung gibt nun Aufschluss über die Gründe für diesen Entscheid.
Das private estnische Kernenergieunternehmen Fermi Energia hat sich am Ende eines Auswahlverfahrens für den Siedewasser-SMR BWRX-300 des amerikanischen Herstellers GEH entschieden. Der SMR soll das erste Kernkraftwerk Estlands werden und bereits Ende 2031 zuverlässige, saubere und erschwingliche Energie erzeugen, wenn alles wie geplant verläuft. Fermi Energia hat diesen Entscheid im Rahmen einer SMR-Konferenz vom 8. Februar 2023 im Kreuzfahrt-Terminal Tallinn bekanntgegeben. Von der Veranstaltung gibt es nun ein mehrstündiges Video mit wählbarer englischer Übersetzung sowie Folien der Vorträge (siehe hier).
GEH war einer von drei Technologieanbietern, der es in die Schlussrunde des Auswahlverfahrens von Fermi Energia schaffte. Die beiden anderen waren das amerikanische Unternehmen NuScale mit seinem VOYGR-Kraftwerk und der britische Reaktorentwickler Rolls-Royce SMR mit dem Rolls-Royce-SMR. In seiner Pressemitteilung zum Auswahlentscheid teilte Fermi Energia Anfang Februar mit, dass Estland sich beim ersten Kernkraftwerk des Landes keine allzu kühnen Experimente leisten könne. Es habe daher exotischere Reaktortechnologien gar nicht erst in Betracht gezogen, bei denen es noch lange dauern werde, bis sie Marktreife erlangten. Man setzte lieber auf bewährte, funktionale und sichere Lösungen.
Erfahrener Technologielieferant, bewährte Komponenten und Lieferketten sowie laufendes Bauprojekt
Besonders interessant ist ein Vortrag von Sandor Liive, dem Mitbegründer von Fermia Energia. Er nannte und erläuterte die drei Hauptgründe, weswegen sich Fermi Energia für den BWRX-300 entschied. Die dem SMR von GEH zugrunde liegende Siedewassertechnologie sei eine bewährte Reaktortechnologie, sie verwende bereits vorhandene Komponenten und es seien Erfahrungen aus einem bereits begonnenen Bauprojekt in Kanada vorhanden, dem Darlington New Nuclear Project.
Die Siedewasserreaktortechnologie von GEH habe sich als «zuverlässiges Arbeitspferd» erwiesen, da bereits 49 Anlagen in Betrieb seien – unter anderem in Olkiluoto im benachbarten Finnland und in Forsmark in Schweden. Damit sprach Liive die Tatsache an, dass GEH nicht nur den SMR entwickelt, sondern unzählige Jahre Erfahrung mit der Entwicklung, dem Bau und Betrieb grosser Leistungsreaktoren basierend auf Siedewassertechnologie hat. «Diese Technologie hat sich bewährt, und GEH hat über 60 dieser Anlagen gebaut», sagte Liive. «Das ist das wichtigste Argument. Es ist eine bekannte Technologie.»
«Zweitens verwendet der BWRX-300 viele Komponenten, die auch in funktionierenden Reaktoren eingesetzt werden. Die Grösse der Brennstäbe ist die gleiche wie in bestehenden Reaktoren, so dass die Lieferkette bereits besteht und funktioniert und sich bewährt hat», argumentierte Liive und ergänzte: «Und drittens hat der Bau des BWRX-300 in Kanada bereits begonnen. Auftraggeber ist die Ontario Power Generation [OPG], die über eine sehr starke nukleare Kompetenz verfügt.» Er erwähnte zudem, dass in den USA der Energieversorger Tennessee Valley Authority (TVA) mit GEH einen Zusammenarbeitsvertrag für einen möglichen BWRX-300 am Nuklearstandort Clinch River unterzeichnet habe.
In Estland sollen sich Wind-, Sonnen- und Kernenergie ergänzen
Liive sagte in seiner Rede auch, dass Estlands Energiezukunft auf Wind-, Sonnen- und Kernenergie basieren werde. «Ich habe schon früher gesagt, dass wir russisches Gas importieren müssen, wenn wir kein Kernkraftwerk bauen. Aktuell und auch zukünftig wird russisches Gas aber keine Option mehr sein», machte er deutlich klar und ergänzte: «Die brutale Aggression von Russland gegenüber der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung hat dieser Möglichkeit ein Ende gesetzt.»
«Wir können somit aufhören, über die Rechtfertigung der Kernenergie [in Estland] zu reden, und uns darauf konzentrieren, wie wir ein Kernkraftwerk bauen können. Jetzt wo wir die richtige Technologie haben, können wir einen geeigneten Standort finden, unser Personal schulen, positive Finanzierungsentscheidungen erhalten, Sicherheitsparameter bewerten und viele andere wichtige Aufgaben erledigen», so Liive.
Gemäss Liive war Fermi Energia Anfang 2020 eines der wenigen Unternehmen in Europa, die SMR planten. Heute gebe es aber SMR-Projekte in Ländern wie Polen, der Tschechischen Republik, Rumänien, den Niederlanden, Finnland und Schweden. Mit mehr als 60% sei die Unterstützung für die Kernenergie in Estland sehr hoch, sagte er. Die Kernenergie-Arbeitsgruppe der Regierung bereitet derzeit einen Abschlussbericht über die Pläne für die Kernenergie vor, der bis Ende des Jahres fertiggestellt werden soll.
Ebenfalls bereitet die estnische Regierung ihre Gesetzgebung und Regulierungsstruktur auf die Einführung von SMR vor. Schlussendlich braucht es aber noch einen Entscheid des estnischen Parlaments, der die Kernkraft in Estland ermöglicht.
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