Fukushima vier Jahre nach dem Unfall
Im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi schreiten vier Jahre nach dem Unfall die Aufräumarbeiten und die umfassenden Massnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt voran. Die Anlage gibt kaum noch radioaktive Stoffe an die Umgebung ab. Bis heute sind keine strahlenbedingten Todesfälle aufgetreten und eine erkennbare Zunahme von strahlenbedingten Erkrankungen ist auch in Zukunft nicht zu erwarten. Erstmals sind Teile der Evakuationszonen wieder freigegeben worden.
Vier Jahre nach dem schweren Reaktorunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi kursieren in Europa weiterhin Mythen und überspitzte Schreckensmeldungen zur Situation im Nordosten Japans. Fakt ist: Die Lage ist unter Kontrolle. Die Folgen sind einschneidend, aber bewältigbar.
Fortschritte beim Wassermanagement
In den vier Jahren seit dem Reaktorunfall sind auf der Kraftwerksanlage umfassende Arbeiten zum Schutz von Mensch und Umwelt geleistet sowie Fortschritte beim Aufräumen erzielt worden. Die grosse Herausforderung auf dem Anlageareal war von Beginn weg das Wasser- und Abfallmanagement, da täglich rund 400 m3 Grundwasser in das Areal fliessen und durch Leckagen in den verunfallten Reaktorblöcken laufend kontaminiertes Kühlwasser austritt. Die Arbeiten zur Abdichtung der Anlage haben wesentliche Fortschritte gemacht, sind aber noch im Gang. Die Anlagen zur Wasserdekontamination sind inzwischen in der Lage, mehr Wasser aufzubereiten, als neu kontaminiert wird.
Autobahn und Buslinie durch Evakuationszone
Im Fokus stehen zudem der Aufbau der Infrastruktur für die Rückkehr der evakuierten Bevölkerung, die Entfernung des unbeschädigten Kernbrennstoffs aus der Anlage und die kontrollierte Zwischenlagerung der kontaminierten Stoffe aus der Sanierung der belasteten Gebiete. In allen Bereichen konnten Fortschritte verzeichnet werden. So wurden bis Ende 2014 alle Brennelemente aus dem Lagerbecken von Block 4 geborgen und sicher eingelagert. Die japanische Regierung hat inzwischen erste Teile der Evakuationszonen wieder freigegeben. Seit Ende Januar 2015 verkehrt wieder ein Linienbus entlang der Küste quer durch die Evakuationszone. Einen Monat später wurde das letzte Teilstück des «Joban Expressway» wiedereröffnet. Diese Schnellstrasse führt auf rund acht Kilometern Länge durch die Evakuationszone und weniger als zehn Kilometer an Fukushima-Daiichi vorbei.
Kaum noch Radioaktivitätsabgaben
Die verunfallte Anlage gibt kaum noch radioaktive Stoffe an die Umgebung ab. Die Strahlenbelastung durch die heute aus dem Kraftwerk in Luft und Wasser austretenden radioaktiven Stoffe ist um ein Vielfaches geringer als die natürliche Strahlung in Japan. Bisher ist durch die Strahlung niemand gesundheitlich beeinträchtigt worden, weder die Notfallequipen zu Beginn des Unfalles noch das bis heute eingesetzte Aufräumpersonal innerhalb und ausserhalb des Kraftwerks. Auch bei der in der Umgebung lebenden Bevölkerung wurden keine gesundheitsbedrohenden Strahlendosen festgestellt. Die Fachleute der UNO rechnen auch in Zukunft mit keinen beobachtbaren Zunahmen von strahlenbedingten Erkrankungen. Die Strahlenbelastungen durch den Unfall waren dafür nachweislich zu gering. Bei Agrarprodukten und Fischen aus der Region treten nur noch höchst selten Überschreitungen der vergleichsweise sehr strengen Grenzwerte auf.
Wegfall der Kernenergie belastet Bilanz
Vor dem Unfall lieferte die Kernenergie knapp 30% des Stroms in Japan. Gegenwärtig sind sämtliche 48 betriebsfähigen kommerziellen Kernkraftwerke Japans ausser Betrieb. Die Regierung hatte nach dem Unfall ihre Ausserbetriebnahme zwecks Sicherheitsüberprüfungen angeordnet. Durch den Wegfall der Kernkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von insgesamt rund 40’000 MW bleibt nur der teure Import von fossiler Energie für die Stromproduktion, mit den entsprechenden Folgen für den CO2-Ausstoss. Da weder Pipelines noch Stromleitungen nach Japan führen, müssen per Schiff Kohle und Flüssiggas eingeführt werden. Diese Energieimporte belasten die Leistungsbilanz Japans enorm. Die Handelsbilanz, die noch im Jahr 2010 einen Überschuss von rund JPY 6635 Mrd. (damals rund CHF 82 Mrd.) ausgewiesen hatte, schloss 2014 mit einem seit dem Zweiten Weltkrieg nie erlebten Rekorddefizit von JPY 12'787 Mrd. (CHF 110 Mrd.). Es ist das vierte Defizitjahr in Folge seit dem Reaktorunfall in Fukushima-Daiichi.
Auch in Zukunft mit Kernenergie
Am 24. Januar 2014 kündigte der japanische Premierminister vor dem Parlament an, dass die Kernenergie auch in Zukunft Teil des japanischen Strommix bleiben soll, wenn auch in geringerem Umfang. Die ungenügende Aufsicht über die Kernanlagen – einer der Schwachpunkte, die zum Unfall geführt haben – wurde inzwischen reformiert. Die neuen Behörden setzten massiv verschärfte Sicherheitsvorschriften für Kernkraftwerke und andere Nuklearanlagen in Kraft. Die bestehenden und im Bau befindlichen Anlagen müssen diese Auflagen erfüllen, um in Betrieb gehen zu können. Mitte Februar 2015 waren bei der Aufsichtsbehörde Gesuche für die Betriebsfreigabe von 20 Einheiten hängig.
Quelle
M.Re., Zusammenfassung des Statusberichtes des Nuklearforums Schweiz vom März 2015