Frankreich: weitere Befunde von Spannungsrisskorrosion
Gemäss der französischen Autorité de sûreté nucléaire (ASN) hat die Électricité de France (EDF) neue Befunde von Spannungsrisskorrosion gemeldet. Diese betreffen vier Kernkraftwerkseinheiten, vor allem aber den Block 1 von Penly. Die ASN geht derzeit nicht von massiven Abschaltungen aus. Dennoch müssten Reaktoren für Kontrollen etwas länger abgeschaltet werden, als für normale Jahresrevisionen geplant sei.
Gemäss ASN informierte EDF die ANS am 6. März 2023 über das Auftreten einer sicherheitsrelevanten Spannungsrisskorrosion in mehreren französischen Druckwasserreaktoren. «Diese Aktualisierung betrifft den Reaktor 3 des Kernkraftwerks Cattenom und die Reaktoren der Kernkraftwerke Civaux, Chooz B und Penly», gab ASN bekannt. Ein besonders tiefer Riss sei bei Kontrollen einer reparierten Schweissnaht des Blocks 1 im Kernkraftwerk Penly entdeckt worden. Penly-1 ist gegenwärtig für die dritte Zehn-Jahres-Inspektion und für Reparaturen abgeschaltet und hätte ursprünglich im Mai wieder hochgefahren werden sollen.
«Der Riss befindet sich in der Nähe einer Schweissnaht bei einer Leitung im heissen Strang des Sicherheits-Einspeisesystems des Reaktorblocks 1 von Penly. Der Riss erstreckt sich über 155 mm, d. h. etwa ein Viertel des Umfangs der Leitung, und seine maximale Tiefe beträgt 23 mm bei einer Wanddicke der Leitung von 27 mm», äusserte sich ASN. Das Vorhandensein eines Risses dieser Dimension führe dazu, dass die Festigkeit der Rohrleitung nicht mehr länger nachgewiesen werden könne.
Den Riss entdeckte EDF im Rahmen eines Kontrollprogramms für reparierte Schweissnähte. Die Schweissnaht sei mit einem Ansatz erstellt worden, der nicht akzeptabel sei («une approche qui n'est pas acceptable»), hiess es seitens ASN. Vor dem Schweissen wurden die Rohre des heissen Strangs des Sicherheits-Einspeisesystems zurechtgebogen und die Schweissnaht nach dem Erstellen nochmals repariert. Die ASN geht daher von einem Einzelfall aus und nicht von einem allgemeinen Problem wie bei der Spannungsrisskorrosion im kalten Strang des Sicherheits-Einspeisesystems gewisser französischer Reaktoren, die ihre Ursache in der Geometrie der Rohrleitungen hat. Nichtsdestotrotz brauche es weitere Kontrollen: Deswegen habe ASN nun EDF dazu aufgefordert, «ihre Kontrollstrategie zu überarbeiten, um diese neuen Informationen zu berücksichtigen».
Selbst bei einem Leitungsbruch könnte der Reaktor gekühlt werden
Laut Aussagen der ASN gegenüber den Medien werde es aufgrund der neuen Entdeckungen in Penly-1 nicht zu massiven Abschaltungen kommen. Die Reaktoren werden jährlich zur Jahresrevision und zum Austausch von Brennelementen abgeschaltet. Die Blöcke würden dann wegen der Kontrollen der reparierten Schweissnähte lediglich etwas länger abgeschaltet bleiben, so ASN.
Gemäss ASN berücksichtigt der Sicherheitsnachweis für den Reaktor den Bruch einer dieser Leitungen des Sicherheits-Einspeisesystems, wovon es pro Reaktor mehrere gibt. Das heisst: Die Anlage ist so ausgelegt, dass selbst bei einem Bruch einer solchen Leitung der Reaktorkern mit den Brennelementen noch ausreichend gekühlt werden kann.
In Bezug auf den nun im März 2023 entdeckten Riss bei Penly-1 und den allgemeinen Spannungsrisskorrosionen bei Cattenom-3 sowie den weiteren Reaktoren der Kernkraftwerke Civaux, Chooz B und Penly schrieb ASN: «Dieses Ereignis hatte keine Auswirkungen auf das Personal oder die Umwelt. Es beeinträchtigt jedoch die Sicherheitsfunktion, die mit der Kühlung des Reaktors verbunden ist. Aufgrund der potenziellen Folgen und der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Bruchs stuft die ASN das Ereignis für den Reaktor 1 des Kernkraftwerks Penly auf Stufe 2 der INES-Skala und für die anderen betroffenen Reaktoren auf Stufe 1 ein.»
Die Hintergründe zur Spannungsrisskorrosion bei gewissen französischen Kernkraftwerken erläutert das Nuklearforum in einem Hintergrundartikel.
Quelle
B.G. nach ASN, Medienmitteilung, 8. März 2023. Am 16.3.2023 wurde der Text korrigiert.
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