Climate Change – Neue Prognosen und alte Versprechen

An der Klimakonferenz in Durban im Dezember 2011 war die Dringlichkeit, das Problem Treibhauseffekt zu lösen, unbestritten. Zu den bekannten politischen Absichtserklärungen gesellen sich nun neue besorgniserregende Trendmeldungen aus der Wissenschaft.

13. März 2012

Klimaschutz gehört zu den zentralen Themen der Menschheit. Es fehlt nicht an dringlichen Appellen, die Treibhausgase zu reduzieren. Doch mit der Umsetzung und der konkreten Ausgestaltung länderübergreifender Klimaschutzziele hapert es. Die Chronologie der Klimakonferenzen verdeutlicht dies.

In den 1970er-Jahren hatten Wissenschafter den Klimawandel als eine der grössten Herausforderungen der Gegenwart identifiziert. Genf war im Jahr 1979 Austragungsort der ersten Weltklimakonferenz. Die teilnehmenden Wissenschafter appellierten eindringlich, dem Klimawandel wesentlich stärkere Beachtung zu schenken. Doch erst an der Weltklimakonferenz in Toronto 1988 verständigte sich die internationale Politik erstmals auf klimapolitische Ziele. Demnach sollte bis 2005 der Kohlendioxidausstoss auf freiwilliger Basis um 20% reduziert werden.

Die Konferenz über Klima und Entwicklung der UNO in Rio de Janeiro im Jahr 1992 verabschiedete erstmals eine Klimarahmenkonvention: Der Klimawandel soll entschärft werden, sodass sich die Ökosysteme auf natürliche Weise anpassen können. Die unterzeichnenden Staaten versprachen, adäquat ihrer jeweiligen Fähigkeiten sowie ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage, die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen. Zwei Jahre später trat diese Konvention, die inzwischen 195 Staaten unterschrieben haben, in Kraft.

Verbindliche Klimaschutzziele erst seit 1997

Verbindliche Klimaschutzziele setzte jedoch erst die Konferenz im japanischen Kyoto fest: Das Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1997 verpflichtet die beteiligten Staaten, den Ausstoss der sechs gefährlichsten Treibhausgase bis 2012 um durchschnittlich 5% zu verringern (1990 als Ausgangsbasis). Aufgrund der Deindustrialisierung in gewissen westlichen Staaten (beispielsweise Deutschland) konnten einige Länder diese minimalen Ziele erreichen. Global zeigt der Trend jedoch in die andere Richtung: Der Wirtschaftsboom in den Schwellenländern hat den CO2-Ausstoss markant erhöht.

Die Kyoto-Regelungen traten allerdings erst 2005 – acht Jahre nach Verabschiedung des Protokolls – in Kraft. Die USA haben das Kyoto-Protokoll als einziges Industrieland bis heute nicht ratifiziert und entsprechend nicht in nationales Recht umgesetzt. China musste aufgrund des Kyoto-Abkommens kein konkretes Klimaschutzziel erfüllen.

An der Weltklimakonferenz im Dezember 2011 im südafrikanischen Durban haben sich die Delegierten aus 295 Staaten auf einen gemeinsamen Fahrplan für ein neues globales Klimaschutzabkommen verständigt. Bis 2015 soll ein neues Klimaabkommen ausgehandelt werden und 2020 in Kraft treten. Erstmals werden auch die Schwellenländer, die für einen Grossteil der umweltschädlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, verpflichtet, diese zu senken. Zudem ist die Einrichtung eines Fonds zur Unterstützung armer Länder bei der Bekämpfung der Folgen des Klimawandels vorgesehen. Geplant ist, dass die Industrieländer ab 2020 jährlich insgesamt USD 100 Mrd. (CHF 90 Mrd.) in diesen Fonds einzahlen.

Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat an der Weltklimakonferenz in Durban vor den politischen und sozialen Folgen des Klimawandels gewarnt. Bereits heute verursache der Klimawandel Leid und Konflikte in Afrika, sagte Zuma: «Für viele ist der Klimawandel eine Frage von Leben und Tod.» Doch der Energiehunger der Welt wächst ungebremst weiter: Einem Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge steigt der Energieverbrauch bis 2025 um ein Drittel. Das Ziel, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf 2°C zu begrenzen, scheint für die meisten Experten kaum noch machbar. Um es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% zu erreichen, müssten die Industrieländer die CO2-Emissionen deutlich senken – um 80% von 2000 bis 2050, so die Schätzung von Reimund Schwarze, Klimaökonom am Climate Service Center im Helmholtz-Zentrum in Geesthacht. Ein Leser-Kommentar dazu lautete wie folgt: «Das kann ich nicht ernst nehmen. Vor allem dann nicht, wenn alle Welt aus der klimafreundlichen Atomenergie aussteigen will.»

CO2-Emissionen: Rekordwert 2010

Im Jahr 2010 stiegen die globalen CO2-Emissionen gegenüber dem Vorjahr um 5,9% auf den Rekordwert von 9,1 Mrd. t C an. Das entspricht einem jährlichen Ausstoss von 4,8 t CO2 pro Mensch. «Diese Zahlen zeigen, dass sich die globalen CO2-Emissionen weiterhin auf einem Pfad entwickeln, der einem der höchsten möglichen Emissionsszenarien entspricht, die das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in den 1990er-Jahren aufgestellt hat», stellt ETH-Professor Nicolas Gruber vom Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik fest. Das Szenario gehöre zu den «Worst-Case»-Szenarien des IPCC. In diesem schlimmsten Fall müsse man von einer Erwärmung bis Ende dieses Jahrhunderts von bis zu 6°C oder mehr ausgehen. Mit jedem Jahr, dem wir diesem Szenario folgten, werde es schwieriger sein, auf den Pfad umzuschwenken, den wir bräuchten, um das 2-Grad-Celsius-Ziel zumindest mit einer Chance von 50% zu erreichen, so Gruber. Die Energieforschung an der ETH Zürich orientiert sich im Übrigen am 1-Tonne-CO2-Ziel: das heisst der Begrenzung auf 1 t CO2 pro Kopf und Jahr. Dieses Ziel soll unter anderem durch Energieeffizienz und Elektrifizierung – weg von fossilen Energieträgern – erreicht werden.

Klimawandel schneller als erwartet?

Die jüngsten Forschungsergebnisse legen die Vermutung nahe: Der Klimawandel kommt schneller als erwartet. Der Meeresspiegel steigt rapider. Und: Das Eis in der Arktis schmilzt wegen der globalen Erwärmung schneller als bisher vermutet. Das haben neue Klimasimulationen am Max-Planck-Institut für Meteorologie ergeben. Die Wissenschaftler errechneten verschiedene Szenarien für die weitere Entwicklung. Wenn die Erderwärmung unter 2°C bleibt, geht das Meereis zwar noch zurück, aber nicht völlig weg. Bei einem starken Anstieg der Treibhausgase werde es aber eine extreme Abnahme des Sommermeereises geben. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts sei es dann völlig weg. «Rechnet man noch weiter in die Erwärmung hinein, dann verschwindet sogar das Wintermeereis», wird Ozean-Experte Johann Jungclaus in der Zeitung «Welt» zitiert. Durch das Schmelzen der Eisflächen strahlt weniger Sonnenenergie in das Weltall zurück und erwärmt stattdessen den Ozean. Nur mit grössten Anstrengungen sei diese moderate Erwärmung noch zu erreichen, sagte der Direktor des Max-Planck-Instituts, Professor Jochem Marotzke.

Eindrückliche Belege für den Anstieg der Treibhausgase und der durchschnittlichen Welt-Temperatur gibt es viele. Viel Beachtung erhielt ein Video, produziert vom Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA, das zeigt, dass die durchschnittliche Temperatur an der Erdoberfläche in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Neun der zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen sind seit 2000 aufgetreten. «Wir wissen, dass der Planet mehr Energie absorbiert als es abgibt», sagt James Hansen vom GISS dazu. Das GISS misst regelmässig die Temperatur rund um den Globus mit Hilfe von Satelliten. Hansen erklärt, er erwarte neue Temperatur-Rekorde in den nächsten zwei oder drei Jahren. Er beruft sich bei seiner Aussage auf die Rückkehr des warmen Pazifikstroms, das El-Nino-Ereignis, und die aktuell erhöhte Sonnenaktivität.

Ozeane unter Stress

Immer mehr Wissenschafter machen sich über die vielfältigen Auswirkungen des Klimawandels Sorgen. «Warming up, turning sour, losing breath» lautet das Fazit von ETH-Professor Nicolas Gruber. Die Ökosysteme der Ozeane würden unter grossen Stress gesetzt. Der CO2-Ausstoss in die Atmosphäre bewirke, dass die Ozeane grosse Mengen Wärme und CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Damit tun die Weltmeere dem Klimasystem und uns Menschen einen riesigen Gefallen: Der Entzug von CO2 führt zu einem geringeren Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre – und damit zu einer Verlangsamung des Klimawandels. Doch die Ozeane und deren Organismen und Ökosysteme bezahlen gemäss Gruber einen hohen Preis für diesen «Ökosystemservice». So führe die Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre zu einer Verringerung des pH-Wertes der Ozeane. Die Aufnahme von Wärme ihrerseits führe nicht nur zu einer Erhöhung der Ozeantemperatur, sondern auch zu einer Verstärkung der vertikalen Dichteschichtung (Stratifikation). Diese beiden Faktoren – Erwärmung und Erhöhung der Stratifikation – führen wiederum zu einem verstärkten Verlust von Sauerstoff und wirken sich damit negativ auf die Sauerstoffkonzentration im Innern der Ozeane aus. Gruber: «Modellrechnungen und theoretische Überlegungen zeigen, dass die Ozeane bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu 10% ihres gelösten Sauerstoffs verlieren können.» Dieser Prozess könne dazu führen, dass viele Regionen der Weltmeere so tiefe Sauerstoffkonzentrationen haben werden, dass sie für höhere Organismen, insbesondere für Fische und Krustentiere, unbewohnbar werden. «Die drei Stressfaktoren Erwärmung, Ozeanversauerung und Sauerstoffverlust agieren global und können sich sogar gegenseitig verstärken», so Gruber. Da die Ursache der drei Stressfaktoren einzig und alleine der CO2-Ausstoss ist, ist die Verringerung dieses Ausstosses gemäss Gruber die einzige Art und Weise, diese Stressfaktoren zu limitieren. «Und mit einer Verringerung des CO2-Ausstosses könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden – wir hätten weniger Klimawandel und weniger Stressfaktoren für die Ozeane.»

Längst nicht nur Vertreter der Wissenschaft oder Nuklearindustrie plädieren für die massive Verringerung der Treibhausgase. UBS-Analyst Rudolf Leemann ordnet die Kernenergie so ein: «Stromerzeugung aus Atomkraft bedeutet geringe CO2-Emissionen, niedrige Kosten und eine konstante, absehbare Produktion. Damit eignet sich diese Energiequelle, die 5,2% des globalen Energieverbrauches deckt, ideal für die sogenannte Grundlast.» Windkraft und Sonnenenergie seien aufgrund schwer prognostizierbarer Produktionsprofile und höherer Kosten kein direkter Ersatz, obwohl sie in Bezug auf die Emissionen gut abschneiden würden.

Hans Peter Arnold
Hans Peter Arnold berichtet im Bulletin in der Rubrik «Arnolds Wirtschaftsblick» regelmässig über die Themenfelder Kernenergie, Wirtschaft und Medien. Arnold blickt auf eine langjährige Tätigkeit als Wirtschaftsredaktor zurück – unter anderem für Medien der Unternehmen Axel Springer und Tamedia. Sowohl an der ETH Zürich wie an der Universität Zürich hatte er sich mit Trendanalysen von Medieninhalten beschäftigt. Schliesslich weitete Hans Peter Arnold seine Expertise auf vorlaufende Indikatoren und Frühwarnsysteme verschiedenster Branchen aus. Einblicke gibt sein Blog 4trend.blogspot.com.

Quelle

Hans Peter Arnold

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