«Atommüll» - die wertvolle Ressource

Die Kernenergie leidet nach wie vor unter dem Image der schwierigen Entsorgung ihrer Reststoffe. Forschungsergebnisse und Initiativen wie jene von Sir Richard Branson öffnen jedoch neue Perspektiven.

19. Nov. 2012
Sir Richard Branson setzt sich auch für die Nutzung der Kernenergie ein.
Sir Richard Branson setzt sich auch für die Nutzung der Kernenergie ein.
Quelle: VirginGalactic

Die jüngsten Diskussionen und Indiskretionen rund um die Konzepte der Nagra verdeutlichen, welches Politikum die Endlagerung von nuklearen Abfällen in der Schweiz ist. Vor allem Kernenergiegegner erwähnen in ihrer Argumentationskette gebetsmühlenartig die nach ihrer Meinung problematische Endlagerung und die Nutzung der Kernenergie im gleichen Atemzug. Dabei wird geflissentlich über Forschungsergebnisse rund um ein tiefgreifendes Recycling von radioaktivem Material hinweggesehen. In der breiten Öffentlichkeit werden neue Lösungsansätze bisher kaum diskutiert.

Einigkeit besteht einzig darüber: Die Endlagerung beziehungsweise Beseitigung von radioaktivem Material ist gewiss eine grosse Herausforderung. Doch es gibt mehr als nur Indizien, dass sich die Problematik schneller als allgemein erwartet sehr wohl entschärfen könnte – mit positiven Nebeneffekten.

Richard Branson ergreift die Initiative

Der britische Milliardär Sir Richard Branson – Gründer der Virgin Group – gelangte vor kurzem mit einem Brief an die US-Regierung. Sein Vorschlag: mit einem kommerziellen Reaktor die nuklearen Abfälle beseitigen. Er tritt damit in ein spannendes Wettrennen mit einem anderen Milliardär: Bill Gates macht sich ebenfalls für die Kernenergie stark. Mit dem von ihm gegründeten Unternehmen TerraPower ist er dabei, einen Laufwellenreaktor der neusten Generation zu entwickeln.

Branson wirbt für den Integral Fast Reactor (IFR), wie ihn das Unternehmen GE-Hitachi mit der Modell Prism für Grossbritannien plant. Diese Schnellen Reaktoren können nukleare Abfälle beseitigen und dabei gleichzeitig Energie erzeugen. «Im Gegensatz zu heutigen Kernreaktoren kann der IFR unbegrenzte Mengen an preiswertem und sauberem Strom für Hunderttausende von Jahren produzieren», zitiert die Tageszeitung «The Guardian» aus dem Brief von Branson. Der IFR biete eine hervorragende Lösung, um nukleare Abfälle als Brennstoff zu verwenden.

Der Brief wurde mitunterzeichnet von Eric Loewen, Präsident der American Nuclear Society und Chefingenieur des Prism-Reaktors. Zu den Mitunterzeichnern gehört auch James Hansen, Professor an der Columbia University. Er leitet das NASA Goddard Institut und gilt als vehementer Kämpfer gegen den Klimawandel.

China und Russland planen

China ist ebenfalls daran interessiert, das Recycling der nuklearen Abfälle zu perfektionieren. Offenbar ist es der China National Nuclear Corp. (CNNC) in der Wüste Gobi (Provinz Gansu) mit einem neuen Verfahren gelungen, abgebrannte Uranbrennstäbe aus Kernkraftwerken zu einem grossen Teil zu rezyklieren. Das Verfahren soll über die in Europa praktizierte Wiederaufarbeitung von Brennstäben hinausgehen. Die neue Technologie sorge dafür, dass die Ressourcen für die nächsten 3000 Jahre reichten; die Uran-Nutzung werde 60-mal effizienter, hielt das Staatsfernsehen CCTV fest. Gemäss World Nuclear Association wird China mittelfristig eine ansehnliche Flotte von Schnellbrütern der neusten Generation betreiben. Auch Russland hat solche Pläne: Der erste Schnelle Reaktor des Typs BN-800 – zurzeit in Belojarsk im Bau – soll 2014 den Betrieb aufnehmen. Das Land will zudem unter anderem Plutonium aus Kernwaffen für die Energieproduktion nutzen.

Forschung schreitet voran

Die Erforschung der Unschädlichmachung nuklearer Abfälle schreitet voran. Die Idee: den Prozess des Zerfalls durch Bestrahlung mit Neutronen beschleunigen. Dieser Prozess wird auch Transmutation, weil dabei die radioaktiven Nuklide in andere radioaktive Substanzen umgewandelt werden, deren Halbwertszeiten deutlich kürzer sind. Am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen haben vor fünf Jahren Wissenschafter eine Neutronenquelle mit einer so grossen Leistung entwickelt, dass sie für die Transmutation langlebiger radioaktiver Abfälle genutzt werden könnte.

Mittlerweile hat die Diskussion sogar das kernenergiefeindliche Deutschland erreicht: So gibt es Stimmen aus der FDP, die für die Transmutation werden. «Vor dem Hintergrund der jüngsten Meldungen zum Atommülllager Asse, wird deutlich, wie wichtig es ist, die radioaktiven Reststoffe rückholbar zu lagern und neuen Technologien wie der Transmutationstechnik schnellstmöglich auf den Weg zu helfen», meinte Frank Sürmann, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag. Dass das Thema Transmutation radioaktiven Abfalls nunmehr auf Bundesebene diskutiert werde, sei mehr als erfreulich. Dieser Ansatz könne ganz entscheidend zur Entschärfung des Problems der Lagerung atomarer Abfälle beitragen, weil so nicht nur das Volumen, sondern auch die Halbwertszeit des Abfalls auf wenige hundert Jahre verringert werde.

Weiterführende Informationen

Quelle

Hans Peter Arnold

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