Grosser Testlauf für das finnische Tiefenlager
Ende August 2024 hat Posiva den grossen Testlauf (Trial Run of Final Disposal, TRFD) begonnen. Dabei will die finnische Entsorgungsorganisation prüfen, ob alle Abläufe wie ein Uhrwerk ineinandergreifen und die ausgedienten Brennelemente sicher im Tiefenlager Onkalo entsorgt werden können. Wir haben im Vorfeld einige Fragen dazu gestellt.
Was fasziniert Sie persönlich an der geologischen Tiefenlagerung?
Mich persönlich fasziniert jeden Tag aufs Neue, dass wir eine Lösung für eine sichere Endlagerung von ausgedienten Brennelementen haben. Wir von Posiva schreiben Geschichte und sind mit dem Bau des ersten geologischen Tiefenlagers für ausgediente Brennelemente ein Vorbild für die ganze Welt. Damit ermutigen wir hoffentlich andere, ihre Entscheidungen voranzutreiben.
Jeden Morgen, wenn ich mich rasiere, sage ich zu mir: Pasi, heute wirst du wieder der Welt einen Dienst erweisen. Wir sind das fehlende Glied im Lebenszyklus einer nachhaltigen Produktion von sauberer, sicherer, zuverlässiger und erschwinglicher Kernenergie.
Posiva hat eine organisatorische Entwicklung von der Forschungs- über die Projekt- bis hin zur Produktionsphase durchlaufen. Hat dies die Unternehmenskultur geprägt?
Jeder hat das von Anfang an gewusst. So war es für niemanden im Unternehmen etwas Neues. Da Veränderungen auch Chancen bieten, hat dies meiner Meinung nach innerhalb unseres Unternehmens zu einer offeneren und engeren Kommunikation geführt. Der Austausch zwischen dem CEO, dem Führungsteam, den Teamleitern, Posivas kommerzieller Tochtergesellschaft Posiva Solutions Oy und der gesamten Belegschaft wurde intensiviert und findet wöchentlich statt. Es ist wichtig zu wissen, dass 90% des Personals von Posiva einen höheren Universitätsabschluss haben und dass noch nie jemand wegen dieser Veränderungen entlassen wurde. Lediglich die Organisationsstruktur und die Arbeitsaufgaben haben sich geändert.
Wie sieht es mit der Beschäftigtenstruktur im Tiefenlagerprojekt aus?
Wie überall ist auch das Ingenieurwesen ein typischer Männerberuf. Das gilt vor allem für die Subunternehmer, die an den Aushub- und Grabungsarbeiten sowie Bautätigkeiten des Onkalo-Tiefenlagers beteiligt sind. Bei Posiva selbst sind jedoch 30% der Mitarbeitenden Frauen.
Der Probelauf für die Endlagerung wird im August beginnen. Können Sie uns mehr über den Ablauf und die Erwartungen an den Probelauf erzählen?
Im Trial Run of Final Disposal (TRFD) führen wir einen Grossversuch mit Brennstoff-Attrappen durch. Das bedeutet, dass wir den Brennstoff in der Verpackungsanlage in Endlagerbehälter verpacken, drei Endlagerbehälter in den Untergrund bringen und dort in die Einlagerungslöcher stellen. Anschliessend dichten wir die Zwischenräume in den Einlagerungslöcher mit dem Tonmineral Bentonit ab und verschliessen die Löcher. Die Bedienmannschaft führt all diese Arbeiten ferngesteuert aus dem Kontrollraum durch. Exakt so, wie es mit dem echten Brennstoff auch geschehen würde. Im Probelauf werden wir testen, ob alles so läuft, wie es geplant und gebaut wurde.
Bisher sind wir genau nach Plan vorangekommen. Wir werden zudem einen «beschädigten» Endlagerbehälter aus dem Untergrund wieder an die Erdoberfläche holen, um die Rückholbarkeit zu testen.
Was sind nach dem Probelauf die nächsten Meilensteine?
Wir führen weitere Überprüfungen durch, werten den Probelauf aus und nutzen die Erkenntnisse daraus. Ebenfalls müssen wir die Anlagen für den Einsatz echter radioaktiver Stoffe fertigstellen. Derzeit warten wir auf die Erteilung der Betriebsgenehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Von dieser kommt schliesslich auch die Erlaubnis, den Deckel des Transportbehälters mit den ausgedienten Brennelementen zu öffnen, damit diese zum ersten Mal seit etwa 45 Jahren aus dem Wasser genommen werden können.
Posiva schreibt auf seiner Website: «Wir haben eine Lösung, die ein Beispiel für die ganze Welt ist.» Wie gross ist der Druck, erfolgreich zu sein?
Ein Beispiel für die ganze Welt zu sein, ist eines der motivierendsten Dinge für unsere Mitarbeitenden. Wir sind stolz darauf, und wir können mit dem Druck umgehen.
Wie können andere Länder von den Erfahrungen von Posiva profitieren und wird Posiva seine Lösung auch kommerziell vermarkten?
Alle unsere Erfahrungen, Erkenntnisse und unser Fachwissen sind käuflich. Es gibt eine Menge technischer Lösungen, die Posiva entwickelt und realisiert hat. Wir haben bereits seit Jahren unser kommerzielles Dienstleistungsunternehmen Posiva Solutions Oy (PSOY), das sich darum kümmert und wir verkaufen auch Eintrittskarten für den Probelauf. Etwa die Hälfte der weltweiten Entsorgungsorganisationen sind bereits Kunden von PSOY.
Finnland wird das erste Land sein, das ein geologisches Tiefenlager für ausgediente Brennstoffe in Betrieb nimmt. Wie kam es dazu, und welchen Rat haben Sie für andere Länder mit kommerziellen Kernkraftwerken?
Dass wir anderen Ländern weit voraus sind, verdanken wir Finnlands pragmatischer Einstellung zur Kernenergie und seiner langfristigen Energiepolitik. Die Finnen sind der Meinung, dass unsere Generation, die sich für die Kernenergie entschieden hat, auch dafür verantwortlich ist, die Abfälle jetzt nach bestem Wissen und Gewissen zu entsorgen. Die Verantwortung soll nicht auf zukünftige Generationen abgeschoben werden.
Ich möchte anderen Ländern keine Ratschläge erteilen. Ich bin sicher, dass diese – wie zum Beispiel die Schweiz – klug genug sind, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.
Wie viele Endlagerbehälter muss Posiva in das geologische Tiefenlager einlagern? Was waren die Herausforderungen bei der Automatisierung der Prozesse?
Die Kapazität des Tiefenlagers beträgt rund 6500 Tonnen Uran, was etwa 3250 Kanister entspricht. Aus mehr als 40 Jahre Forschung sind am Ende viele Automatisierungstechniken entstanden. Die Herausforderung besteht darin, alle unterschiedlichen und unabhängigen Automatisierungsverfahren im Prozess zusammenzubringen. Genau das ist es, was wir als Nächstes testen werden.
Eine häufig gehörte Kritik an der geologischen Tiefenlagerung ist, dass niemand die nächsten eine Million Jahre vorhersagen kann und dass die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Was sagen Sie dazu?
Wir haben in Finnland ein tausendneunhundert Millionen Jahre altes Grundgestein – das sind fast zwei Milliarden Jahre. Es hat mindestens zehn Eiszeiten gegeben, und das Gestein weist Blöcke von 500 Metern bis zu einem Kilometer auf. Zwischen den Blöcken gibt es Bruchzonen, durch die ein wenig Wasser fliessen kann. Aber wir entsorgen die ausgedienten Brennelemente nur in diesen ganzen Blöcken, die seit 1,9 Milliarden Jahren intakt geblieben sind. Wenn Sie einen Geologen fragen, ist selbst eine Million Jahre in dieser Zeitskala eine recht kurze Zeit. In diesen Blöcken wird also der ausgediente Brennstoff endgelagert. Wir nehmen das Uran aus dem Gestein und bringen es wieder in das Gestein ein.
Der ausgediente Brennstoff ist giftig, wie viele andere Schwermetalle auf dieser Welt auch. Andererseits nimmt die Radioaktivität aufgrund des radioaktiven Zerfalls recht schnell ab. Man darf aber die Abfälle weder essen noch sonst in den Körper aufnehmen. Das ist auch der Grund, warum der ausgediente Brennstoff von den Menschen und der Natur ferngehalten werden muss.
Sie waren viele Jahre Kommunikationsmanager beim finnischen Energieversorger Teollisuuden Voima Oyj (TVO) und jetzt bei der Entsorgungsorganisation Posiva. Welche Frage beantworten Sie am liebsten und welche mögen Sie gar nicht?
Als ich noch Journalist war, überzeugte mich ein Schaubild der alten Grundgesteinsblöcke von der Zeitskala und der Sicherheit der geologischen Tiefenlagerung. Diese Frage beantworte ich immer noch gerne. Danach sage ich, dass wir uns nicht in einer Energiekrise befinden. Zusammen mit der Kernenergie als Quelle für Grundlastenergie und der Entwicklung erneuerbarer Energieformen steht für jeden auf der Welt eine Menge Energie zur Verfügung.
Sehr oft weise ich auch darauf hin, dass das Bild, das viele Menschen von der Kernenergie haben, mindestens 30 Jahre alt ist und aus der Zeit von Tschernobyl stammt. Tschernobyl war wie eine Scheune und es gab kein Containment um den Reaktor herum. Die modernen Kernkraftwerke sind viel weiterentwickelt. Sie verfügen über doppelte Sicherheitshüllen und sogar Kernfänger unter dem Boden.
Ich hasse Fragen, die nur auf Vermutungen zu Jahreswerten basieren, besonders wenn es um Sonnen- und Windenergie geht. Die Zukunft liegt in der Kombination von Kernenergie und erneuerbaren Energien, aber wenn kein Wind weht, ist die Kernenergie unbedingt notwendig und rentabel. Und umgekehrt, wenn es viel Wind gibt, ist der Marktpreis sehr niedrig. Das nennt man die Kannibalisierung der Strompreise.
Finnland wird 2025 das weltweit erste geologische Tiefenlager «Onkalo» für ausgediente Brennelemente auf der Halbinsel Olkiluoto im Südwesten Finnlands in Betrieb nehmen. Das Tiefenlager wird die radioaktiven Abfälle dauerhaft aufnehmen und besteht aus einer Verpackungsanlage für die ausgedienten Brennelemente an der Erdoberfläche sowie dem Lagerbereich im Kristallingestein in rund 400 Meter Tiefe. Vor dem Einlagern der Abfälle unter Tage werden sie in der Verpackungsanlage in Endlagerbehälter aus Kupfer umverpackt. Die ausgedienten Brennelemente stammen aus den finnischen Kernkraftwerken Olkiluoto und Loviisa.