Finanzierung neuer Kernkraftwerke: Ohne effiziente Strategie geht es nicht

Der Bau von Kernkraftwerken findet nicht im luftleeren Raum statt. Vorbereitung, Planung und Bau erfolgen in einem komplexen politischen und wirtschaftlichen Umfeld. In einem Bericht untersucht die Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD in Fallstudien, welche Strategien die erfolgreiche Finanzierung neuer, grosser Kernkraftwerke erleichtern oder erst möglich machen. Immer dabei ist das Engagement des Staates in irgendeiner Form.

17. März 2025
 Einbau des Polarkrans der Schweizer Firma Apco bei Hinkley-Point-C1.
Einbau des Polarkrans der Schweizer Firma Apco bei Hinkley-Point-C1.
Quelle: EDF

In den vergangenen Jahrzehnten sind in vielen Ländern die Strommärkte liberalisiert und neu strukturiert worden. Das hat Auswirkungen auf die Investitionen in neue Kernkraftwerke. In den (westlichen) OECD-Ländern kommt erschwerend hinzu, dass in den USA und Europa Bauprojekte mit teils massiven Kosten- und Terminüberschreitungen zu kämpfen haben. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die NEA im Herbst 2024 den Bericht «Effective Frameworks and Strategies for Financing Nuclear New Build». Er beleuchtet anhand von acht Fallbeispielen die unterschiedlichen Ausgangslagen und Strategien bei der Finanzierung von neuen, grossen Kernkraftwerksblöcken mit Leistungen über 1000 MWe. Betrachtet werden fertiggestellte Projekte (Barakah, Olkiluoto, Vogtle), noch in Bau befindliche (Akkuyu, Hinkley Point C) sowie geplante Vorhaben (Dukovany, Paks, Sizewell C).

Grosser Einfluss der Kapitalkosten

«Neben dem Sicherstellen der Lieferketten und der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften ist die Finanzierung zweifellos eine der drängendsten Herausforderungen, die weltweit beim Ausbau der Kernenergie gemeistert werden müssen», schreiben die Autoren. Bei Kernkraftwerken entstehen die Kosten vor allem bei Planung und Bau, während die Betriebskosten nach der Fertigstellung vergleichsweise stabil sind, da Schwankungen des Uranpreises darauf wenig Einfluss haben.

Daher erinnern die Autoren daran, dass in erster Linie die Finanzierungsbedingungen und die Bauzeit die späteren Stromgestehungskosten (levelised cost of electricity, LCOE) bzw. die Wettbewerbsfähigkeit des neuen Kernkraftwerks beeinflussen. «So können die Kapitalkosten bei einem Zinssatz von 9% zwei Drittel des Preises des Nuklearstroms ausmachen», heisst es im Bericht. «Wenn der Satz jedoch auf 3% gesenkt werden kann, sinkt der Einfluss der Kapitalkosten auf unter ein Drittel der Gestehungskosten.» Daraus folgt, dass das Risikomanagement bzw. das Verteilen der verschiedenen Risiken eines Bauprojekts von grösster Bedeutung ist. Denn je höher das Risiko, desto höhere Zinsen verlangen private Investoren.

Unterschiedliches Engagement des Staates

Die ausgewählten Fallbeispiele (siehe Grafik) stehen für grosse Unterschiede bei den Finanzierungsmechanismen. Im Fall von Barakah oder Dukovany stellte der Staat beispielsweise selbst wesentliche Mittel bereit, um nationale Ziele wie Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung zu erreichen. Demgegenüber wurden die Projekte Olkiluoto und Vogtle ins Marktumfeld eingebettet und finanziell vom Staat abgesichert, um diesen Zielen näher zu kommen. Wesentliche Investoren können auch die Hersteller selbst sein, wie die Beispiele Akkuyu (Rosatom), Barakah (Kepco) und Hinkley Point C (EDF) zeigen. Allerdings hat EDF erklärt, bei Sizewell C nicht im gleichen Mass an die Finanzierung beitragen zu können wie bei Hinkley Point C. Dies bewog die britische Regierung, ein etwas anderes Modell zu entwickeln, um weitere Investoren zu gewinnen.

Überhaupt spielt der Staat generell eine signifikante Rolle bei der finanziellen Abfederung von Risiken. Meist geht es um das Bereitstellen von Eigenkapital. Es kann sich jedoch auch um Garantien bei Fremdfinanzierung handeln. Aus der NEA-Stude geht hervor, dass die Baurisiken den höchsten Komplexitätsgrad aufweisen und die breiteste Auswirkung auf die beteiligten Akteure haben. Am stärksten sind die Eigenkapitalgeber diesen Risiken ausgesetzt. «Bauprojekte der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass private Investoren nur beschränkt zu finden sind und das staatliche Engagement zunimmt», schreiben die Autoren. Die ausgewählten Projekte zeigen aber auch, wie die Staaten versuchen, durch baufreundliche Regulierung, Kreditgarantien und Steuervergünstigungen Anreize für Privatinvestoren zu schaffen.

Die acht Fallbeispiele im Überblick
Die acht Fallbeispiele im Überblick
Quelle: OECD/NEA

Zunehmende Erfahrung reduziert Risiken

Die Autoren des Berichts halten fest, dass in allen acht untersuchten Fällen die öffentliche Hand Unterstützung bot, sei es als Kapitalgeber oder als Mitträger von finanziellen Risiken. Sie sind aber auch der Ansicht, dass künftige Bauprojekte wieder mehr private Geldgeber finden dürften. Dies als Folge der zunehmenden Erfahrung mit dem Bau heutiger Reaktoren und zuverlässigeren Lieferketten. Daran litten bekanntlich der Bau der ersten EPR in Europa und der beiden ersten AP1000 in den USA. Der Bericht weist daher auf die entscheidende Bedeutung von Strategien zur Begrenzung von Kostenüberschreitungen und Projektverzögerungen hin.

Nötig sind langer Atem und breite Abstützung

Aus der Analyse der acht Fallbeispiele ziehen die Autoren folgende Schlüsse:

  • Die finanziellen Rahmenbedingungen in einem Land können Strukturprobleme nicht lösen, die durch den Planungsprozess entstehen. Nötig sind ein nationales Langzeitengagement für die Kernenergie und ein straffer Vorbereitungsprozess in der Planungsphase. Daraus folgt, dass ein Scheitern eines Bauprojekts vor dem endgültigen Investitionsentscheid nicht unbedingt ein Finanzierungsproblem sein muss. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Finanzierungsdiskussion im Vorfeld des Projekts zusätzliche Strukturprobleme aufgedeckt hat, die vorher noch angegangen werden müssen.
  • Das Schlüsselelement ist die Eingrenzung der Risiken von Kosten- und Terminüberschreitungen. Sie müssen bei der Wahl des idealen Finanzierungsmechanismus im Auge behalten werden. Die Fallstudien im Bericht zeigen die Notwendigkeit, den Umgang mit diesen Risiken vor Baubeginn einzuplanen, sodass sie in der Bauphase aufgefangen werden können. Falls tatsächlich Kostenprobleme auftreten, muss die Tragfähigkeit der verschiedenen Stakeholder berücksichtigt werden. Allen Fallstudien ist gemeinsam, dass im Fall von Kostenüberschreitungen in letzter Instanz immer die Stromkonsumenten und/oder die Steuerzahler aufkommen müssen. Diese sind es aber auch, die Risiken geringer Wahrscheinlichkeit aber grosser Auswirkungen am besten bewältigen können.
  • Das Einbinden der Interessen aller Stakeholder bzw. das Verteilen der Risiken auf alle Beteiligten muss jederzeit das übergeordnete Prinzip bleiben. «Die Nutzung der Kernenergie erfordert umfassende Überlegungen zu Finanzierung, Sicherheit, Umwelt und geopolitischem Umfeld», schreiben die Autoren. «Das erfordert, die verschiedenen Stakeholder wie Staat, Aufsichtsbehörden, lokale Gemeinschaften und Investoren über einen langen Zeitraum einzubinden.»

Verfasser/in

M.S. nach OECD/NEA, Bericht «Effective Frameworks and Strategies for Financing Nuclear New Build». NEA No. 7684, Paris 2024

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