«Der ‹Beznau-Spirit› ist einmalig!»

Interview mit Nicolai Braun, Kernkraftwerksleiter von Beznau

Nicolai Braun spricht im Interview über seine ersten Eindrücke als neuer Leiter des Kernkraftwerks Beznau (KKB) und beantwortet Fragen zu Personalplanung und Sicherheitskultur. Dabei verrät er, worauf er beim Personal und bei der Anlage ein besonderes Augenmerk legt.

21. Apr. 2023
Kernkraftwerk Beznau
Das Kernkraftwerk Beznau hat mit Nicolai Braun einen neuen Kernkraftwerksleiter.
Quelle: Axpo

Herr Braun, Sie studierten Maschinenbau. Weshalb sind Sie in die Nukleartechnik eingestiegen?
Dank eines KKW-Besuchs während meiner Schulzeit. Die Komplexität des Werks und der Prozesse haben mich schon damals fasziniert. Als ich dann nach meinem Studium die Möglichkeit hatte, da zu beginnen, habe ich nicht lange gezögert – und es bisher keine Sekunde bereut.

Sie sind seit wenigen Monaten der neue Leiter des KKB. Davor arbeiteten Sie in derselben Funktion im Kernkraftwerk Philippsburg-2 in Deutschland. Erleben Sie betriebliche und kulturelle Unterschiede?
Die Technik und die Prozesse sind sehr ähnlich, kulturell gibt es aber schon Unterschiede. Besonders aufgefallen ist mir hier in Beznau die hohe Verbundenheit der Kollegen mit ihrer Anlage und der Zusammenhalt auf der Insel, wo das Werk steht. Diese Kultur, dieser Spirit, ist unsere grosse Stärke, die wir uns unbedingt erhalten müssen.

Wie setzen Sie Ihre Ansprüche an sich selbst und andere um?
Für mich geht es darum, die Ziele und Leitlinien klar zu formulieren und gleichzeitig den Mitarbeitenden Vertrauen zu schenken und die nötigen Freiräume zu lassen. Darüber hinaus ist es mir wichtig, dass sich die Führungskräfte ihrer Vorbildfunktion bewusst sind und unsere Prinzipien vorleben.

Als Sie im September 2021 zum Management-Team des KKB gestossen sind, wurde auch ein Generationenwechsel vorangetrieben. Wie äussert sich das für die Belegschaft und worauf werden Sie ein besonderes Augenmerk legen?
In der Kerntechnik spielen Know-how und Erfahrung eine besondere Rolle. Daher brauchen wir eine umsichtige Personalplanung und lange Überlappungszeiten, damit die jungen Kolleginnen und Kollegen in ihre neuen Rollen wachsen und schrittweise Verantwortung übernehmen können. Zudem müssen wir Perspektiven und ein attraktives Arbeitsumfeld bieten, damit die guten Leute nicht nur zu uns kommen, sondern auch bei uns bleiben.

Sie produzieren Strom in einem schwierigen Umfeld. Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeitenden? Finden Sie genügend Nachwuchs?
In den letzten Monaten konnten wir viele gut qualifizierte Mitarbeitende einstellen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt ist der bevorstehende Generationenwechsel aber eine grosse Herausforderung für uns. Wir müssen als Arbeitgeber noch attraktiver für junge Menschen werden und auf deren Bedürfnisse eingehen. Daran arbeiten wir, zum Beispiel mit unserer aktuellen Rekrutierungskampagne – das ist aber nur eine von vielen Massnahmen.

Die Blöcke des KKB gehören zu den ältesten weltweit. Sind diese in Bezug auf die Anlagensicherheit eine besondere Herausforderung für Sie als Kraftwerksleiter?
Nein, das KKB befindet sich in einem sehr guten Zustand. Wir als Betreiber haben über die gesamte Betriebsdauer viel in die Instandhaltung und Modernisierung der Anlage investiert. Das bestätigt uns das Ensi und wir erhalten auch bei internationalen Audits regelmässig sehr gute Noten. Aber natürlich legen wir in Beznau ein besonderes Augenmerk auf die Alterungsüberwachung.

Frankreich hat während den Zehnjahresprüfungen Korrosionsschäden bei einigen Reaktortypen entdeckt. In der Schweiz werden die Kernkraftwerke jährlich auf Materialermüdungen geprüft. Ist dies ein grosser Aufwand?
Der Aufwand ist gross, aber Teil unseres Commitments für die Sicherheit. Gerade für erfahrenere Anlagen wie Beznau ist eine gute Alterungsüberwachung von zentraler Bedeutung und wir machen da keine Abstriche.

Welche Grossprojekte stehen in Beznau an?
Beznau hat in seiner Geschichte mehrere grosse Investitionswellen durchlaufen, in der Systeme und Anlagenteile nachgerüstet und damit die Robustheit der Anlage deutlich erhöht wurde. Das Anlagendesign ist jetzt soweit ausgereizt, dass es mehr darum geht, ältere Komponenten und Systeme zu erneuern, um auf dem Stand der Nachrüsttechnik zu bleiben.

Was finden Sie an Beznau einzigartig?
Die Kolleginnen und Kollegen! Sie machen unsere Anlage zu dem, was sie ist. Dieser «Beznau-Spirit», den ich bereits angesprochen habe, war die Basis für den erfolgreichen Betrieb über mehr als 50 Jahre – und er wird auch die Basis sein für das letzte Betriebsjahrzehnt der Anlage.

Die Kernenergie feiert ein Comeback in zahlreichen Ländern wie Japan, die Niederlande, Polen, die USA und Schweden. Glauben Sie, dass die Schweiz einen Umschwung erleben wird?
Ich glaube, dass die globalen Klimaziele nicht ohne den massiven Ausbau der Kernenergie erreichbar sind. Inwieweit die Schweiz dazu ihren Beitrag leisten will, werden die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen zeigen.

Nicolai Braun

Nicolai Braun

Nicolai Braun studierte Maschinenbau mit Fachrichtung Energie- und Umwelttechnik. Er ist seitdem 1. Januar 2023 Leiter des Kernkraftwerks Beznau. Seine Karriere startete er bei der EnBW Kraftwerke AG, wo er von 2005 bis 2022 in verschiedenen Funktionen tätig war, zuletzt während gut vier Jahren als Leiter der Kernkraftwerkseinheit Philippsburg-2.

Verfasser/in

Marie-France Aepli, Technisch-wissenschaftliche Redaktorin und Dr. Benedikt Galliker, Technisch-wissenschaftlicher Redaktor

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